: „Strafliegestütze kann man machen“
Heime PUA Friesenhof hört mit Gutachter Mattias Schwabe letzten Zeugen an. Der steht in der Kritik
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zu den Friesenhof-Mädchenheimen hörte am Montag seinen letzten Zeugen. Pädagogik-Professor Matthias Schwabe sollte die Konzepte der 2015 von der Heimaufsicht dicht gemachten Heime bewerten. „In Baden-Württemberg wäre ich damit nicht durchgekommen“, sagte Schwabe, der früher selbst Heimleiter war. Dort würden Konzepte akribischer geprüft.
Die Konzepte der Friesenhof Heime „Camp Nana“ und „Campina“ in Schleswig-Holstein seien oft „wolkig“ und nicht transparent genug. Es fehlten Regelungen zu Zwangsmaßnahmen.
Schwabe ist selbst umstritten, weil er Zwangsmaßnahmen befürwortet. So sagte er auch im PUA über Sanktionen wie die von Mädchen berichteten Strafliegestütze: „Kann man alles machen, wenn es ganz klar ist nach außen.“ Die Schreiber von pädagogischen Konzepten in Heimen wollten sich heutzutage jedoch nicht der „schwarzen Pädagogik“ verdächtig machen. Sie versuchten „mit Worthülsen Sachen schöner zu machen als sie sind“.
Schwabe hat in intensivpädagogischen Heimen für sogenannte gewaltbereite Jugendliche gearbeitet. Gefragt, welche Qualifikationen Heimmitarbeiter haben müssten, sagte er, sie müssten Deeskalationstechniken trainieren. „Ich muss die zu zweit oder dritt so halten können, dass die zum Liegen kommen“. Auch Kampfkunst wie Tai-Chi könne sinnvoll sein. Die Mitarbeiter müssten zudem „kränkungssicher“ sein. Eine pädagogische Ausbildung ist für ihn hingegen nicht zentral: Es gebe Menschen, die vorher im Tattoo-Studio oder an der Kaufhauskasse arbeiteten und „all das können“ und schneller lernten als Personen, die an Hochschulen ausgebildet seien. Auch LKW-Fahrer, Holzfäller oder Schäfer könnten die besseren Pädagogen für Kinder sein, die schon mehrere Heime hinter sich hätten.
Schwabe selbst räumte zu Beginn ein, dass ein anderer Gutachter, der Zwang kritischer sehe, wohl ein anderes Gutachten verfasst hätte. Doch die Auswahl Schwabes fiel im PUA einstimmig aus. Eine andere Fachposition wollten die Kieler Politiker nicht hören. Dabei besagt ein aktuelles Gutachten der Ludwigsburger Juristin Hannelore Häbel, dass körperlicher Zwang – wozu auch Strafsport zählt – in Heimen nicht zulässig sei, weil er gegen das Recht auf gewaltfreie Erziehung verstoße.
Auch die von Schwabe benutzte Klassifizierung einer Kindergruppe als „schwierig“, ist fachlich strittig. Was bleiben wird vom PUA, ist der im März erwartete Abschlussbericht. Allerdings wird es davon wohl drei geben, je nach Parteibuch: ein allgemeiner Bericht des Landtags, ein Sondervotum von CDU und FDP und eines der Piraten. Kaija Kutter
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