LeserInnenbriefe
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Kunstvolles Armutszeugnis

betr.: „Allzu fassliches Spiel“ von Ekkehard Knörer,taz vom 24. 11. 16

Da traut sich ein Regisseur – hier: Ken Loach – doch tatsächlich ein Abbild der Wirklichkeit dem geneigtem Publikum zuzumuten. Da muss das Auge des Bildungsbürgers natürlich tränen, vermisst er doch das kunstvolle, imaginäre, dysfunktionale Chaos allzu sehr. Really shocking, oh my god!

In seinen Filmen mutet Ken Loach uns immer viel zu, ja. So wie das Leben auch. Filme die uns vor Augen führen, wo die Menschenwürde real auf der Strecke bleibt, gibt es viel zu wenige. Und noch seltener sind wirklich gute dabei. Ken Loach gelingt es im Gegensatz zu vielen anderen seiner Kolleg*innen immer wieder, die Realität der Ausgegrenzten, Vergessenen, Abgehängten, Unterdrückten unverblümt und klar darzustellen. Dabei nimmt er seine Filmfiguren ernst, führt sie niemals vor und stattet sie mit Freundlichkeit, Solidarität, Liebe, kurz: mit Menschlichkeit, aus. Darin ist er ein Künstler, und wenn die Jury in Cannes das an/erkennen kann, können das vielleicht auch irgendwann einmal die coolsten Feuilletonisten.

Ach, stellen sie sich doch selbst ein kunstvolles Armutszeugnis aus. EVELYN SCHUCKARDT, Oldenburg

Basisrente ohne Betteln

betr.: „Abschied vom Generationenvertrag“, taz vom 24. 11. 16

Als einfacher Arbeiter, der glücklich mit einer Beamtin zusammenlebt, kann ich aus vielen persönlichen Gesprächen über Rente/Pension hautnah berichten. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten Rente/Pension, die Versteuerung von Pensionseinkünften im Gegensatz zu Rentenzahlungen, die Unterschiede bei den Krankenkassen beziehungsweise Beihilfen dienen nur einem Zweck: Schlagabtausch und Neiddebatten beim Pack, damit die Elite in Ruhe ihre Pfründe sichern kann.

Würden Pensionen aus der Rentenkasse bezahlt werden, würden aktive Beamte in die Rentenkasse einzahlen. Die Gehälter der Beamten werden jetzt schon minimiert, um für die Pensionen vorzusorgen; sie werden aber nicht gebucht, da sowohl aktive wie auch passive Beamte (man ist dies ja auf Lebenszeit) von der öffentlichen Hand bezahlt werden.

Ich gebe Peter Schaefer (Leserbrief: „Wichtiger Aspekt“, taz vom 26. 11. 16) recht, dass sowohl Rentner als auch Pensionäre ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind und man diesen mit einer Basisrente ohne Betteln nur stärken kann. Aber das Bashing zwischen Arbeitern und Beamten gehört in die Mottenkiste.

ARNE MATSCHINSKY, Hamburg

Es gibt kein Rentenproblem

betr.: „Ein Soli für die Rente“, taz vom 26. 11. 16

Schon interessant: Die Großkoalitionäre wollen aus der Rentendiskussion kein Wahlkampfthema machen. Also wird vor Ende der Legislatur noch an einem „Konzept zur Alterssicherung“ herumgedoktert, das schon heute erkennbar in massenhafte Altersarmut münden wird, für die dann in 20 Jahren niemand mehr verantwortlich gemacht werden kann: Wieder einmal ein trauriger Beleg für die in Legislaturperioden denkende Perspektivlosigkeit der Politik.

Dass der Anteil der Alten in Deutschland stark ansteigen wird, ist ja wohl kein völlig überraschender Umstand. Jene Alte übrigens, die im Laufe ihres Arbeitslebens dieses Land mit zu enormem Effizienzfortschritt verholfen und zu einer der reichsten Volkswirtschaften gemacht haben. Und dann will die arbeitgebernahe sogenannte Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) auch noch einen perfiden Spaltpilz zwischen die Generationen treiben, indem sie die drohende Altersarmut der Jungen den heute Alten anlastet, die nur noch als „demografisches Problem“ gesehen werden sollen. Dabei ist das Geld überhaupt nicht das Problem, es wäre genug da, wäre es politisch gewollt. Aber was macht die Politik?

Es wird über eine künftige Finanzierungslücke von jährlich 4,2 Milliarden Euro geklagt. Wäre die Politik gewillt, Steuerschlupflöcher und andere Gesetzeslücken effektiv zu schließen, wäre diese „Lücke“ drei- bis viermal zu schließen. Lieber werden ungerührt die Renten – ganz gegen den Spruch des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2002 – einer Doppelbesteuerung unterzogen, die bis 2040 auf 100 Prozent ansteigen und damit die heute arbeitende Generation voll treffen wird. Und dann rät man jener Generation zu Modellen privater Eigenvorsorge wie Riesterrente, die selbst ein Seehofer inzwischen als Flop erkannt hat.

Und sollten dann Arbeitnehmer über berufsständische Versorgungswerke oder eine Direktversicherungen via Gehaltsumwandlung ihre Altersvorsorge in die eigenen Hände nehmen, dann beschließt die Politik mit dem „GKV-Modernisierungsgesetz“ 2004, dass von gesetzlich Krankenversicherten davon neben dem von der Rente abzuführenden Beitrag selbst rückwirkend zusätzlich ein weiterer Krankenkassenbeitrag für zehn Jahre zu entrichten ist. Begründung der Politik: Das Geld wird eben gebraucht.

Und dass es einen solchen „Soli für die Rente“ vielleicht gar nicht bräuchte, zeigen die zahlreichen aus Rentenbeiträgen finanzierten „versicherungsfremden Leistungen“. Dieser dreiste Griff der Politik in die Rentenkasse, so hat die Aktion Demokratische Gemeinschaft errechnet, addiert sich seit 1957 auf das nette Sümmchen von 748 Milliarden Euro.

Es gibt also bei Licht betrachtet keineswegs ein Rentenproblem samt einem demografischen Wandel, der zwangsläufig zu grassierender Altersarmut führt. Man muss sich immer wieder klarmachen, diese Konstellation, wie sie heute besteht, ist politisch so gewollt. KLAUS-ULRICH BLUMENSTOCK, Stuttgart