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Femmes can fly

TOUR Der Filmverleih eksystent bringt fünf Filme von Frauen und mit weiblichen Hauptfiguren bundesweit in die Kinos

Alle fünf Filme haben bei Festivals Preise gewonnen – „Yulas Welt“ (Foto) etwa beim DOK.fest München Foto: Promo

von Carolin Weidner

In München gibt es einen kleinen Arthouse-Filmverleih mit Namen „eksystent“. Er bringt jährlich nicht viele Filme in die Kinos, doch jene, die er vertritt, sind wohl ausgewählt. In den letzten Jahren waren das etwa „Ich heiße Ki“ des polnischen Regisseurs Leszek Dawid oder „Sybille“ von Michael Krummenacher. Sehenswerte Filme mit weiblichen Hauptfiguren, die offenbar nicht leicht zu platzieren sind.

Ein gutes Beispiel hierfür ist „Ich heiße Ki“, der 2011 auf dem Filmfestival Cottbus lief. Er handelt von Ki, einer ziemlich chaotischen alleinerziehenden Mutter, die sich und ihrer Umwelt einiges abverlangt. Erst 2015, vier Jahre später, war „Ich heiße Ki“ außerhalb des Festivalbetriebs auf deutschen Kinoleinwänden zu sehen.

Eksystent ist in Angesicht all dieser Schwierigkeiten auf eine interessante Idee gekommen: gleich fünf Filme bringen sie unter dem Titel „Femmes Totales“ gleichzeitig in die Kinos, in der Hoffnung, jedem einzelnen damit eine größere Aufmerksamkeit zu ermöglichen.

Dabei blicken alle Filme auf eine beachtliche Festivalkarriere zurück: „Null Motivation“ (Israel 2014) von Talya Lavie konnte den Nora Ephron Award beim Tribeca Film Festival gewinnen, Rakhshan Bani-Etemads „Geschichten aus Teheran“ (Iran 2014) den Drehbuchpreis in Venedig, „Hitzewelle“ (Frankreich/Griechenland 2015) von Joyce A. Nashawati wurde in Thessaloniki mit einem FIPRESCI-Award gewürdigt, Monika Grassls „Girls don’t fly – Träume vom Fliegen“ (Deutschland/Österreich 2016) gewann beim Max-Ophüls-Preis und „Yulas Welt“ (Polen/Dänemark 2014) beim DOK.fest München. In Berlin werden die Filme ab dem 24. November im Kino Krokodil, im Babylon Mitte und im Sputnik Kino teilweise bis März kommenden Jahres zu sehen sein. Eröffnet wird „Femmes Totales“ an selbigem Abend im Kino Babylon mit „Hitzewelle“ von Joyce A. Nashawati.

„Yulas Welt“ beobachtet ein Mädchen auf der größten Müllhalde Europas

Nashawatis Spielfilm-Debüt zeigt die Vision eines künftigen Griechenlands, in dem Wasserknappheit und ein allgegenwärtiges Misstrauen dominieren. Ein Mystery-Thriller, der sich um den arabischen Migranten Ashraf entspinnt. Seine Aufgabe: das Anwesen einer reichen französischen Familie zu bewachen. „Hitzewelle“ setzt auf Unbehagen sowie Genre-Elemente und stellt außerdem die Frage, wie weit ein solches Griechenland, ein solches Europa, von der Gegenwart noch entfernt ist. Unwohlsein bereitet indes auch „Yulas Welt“ von Hanna Polak. Über vierzehn Jahre lang hat Polak das Mädchen Yula für ihren Dokumentarfilm beobachtet, das auf der größten Müllhalde Europas lebt, nur wenige Kilometer vom Moskauer Kreml entfernt. Hier hat sich ein ganz eigenes soziales Gefüge etabliert, freilich illegal und unter Zuständen, die nur schwer erträglich scheinen. Dennoch ist „Yulas Welt“ kein reines Elendskino. Es geht auch um die erste Liebe und den vielleicht realisierbaren Schritt, die Müllhalde Svalka zu verlassen.

Was geschieht, wenn eine Chance auf Veränderung unverhofft im Raum steht, das beobachtet „Girls don’t fly“ der Wienerin Monika Grassl. In ihrem Film reist sie nach Ghana, um die erste Flugschule für Mädchen zu besuchen. Die Ausbildung wird vom Engländer Jonathan besorgt, mit dessen Methoden nicht alle einverstanden sind. Davon könnten auch die jungen Frauen in „Null Motivation“ berichten, die ihren zweijährigen Pflichtdienst bei der israelischen Armee absolvieren. Allerdings droht in dieser Komödie vor allem die Langweile, welcher Zohar und Daffi unter allen Umständen zu entgehen suchen. Inhalte des Militärdienstes sind: Minesweeper spielen, Kaffee kochen, Schreddern.

Wirklich etwas riskieren musste derweil Rakhshan Bani-Etemads, international längst etabliert (das Arsenal richtete ihr unlängst eine Werkschau aus), als sie für „Geschichten aus Teheran“ die nationale Zensurbehörde unterwanderte. Der Film verflicht verschiedene Lebensentwürfe und gesellschaftliche Realitäten Teherans miteinander, indem er verschiedene Episoden erzählt und miteinander verbindet – eigentlich recht exemplarisch für das ekystent-Projekt.

Eröffnet wird die Femmes- Totales-Filmtour in Berlin mit Joyce A. Nashawatis Mystery-Thriller „Hitzewelle“ am 24. 11. um 19.30 Uhr im Kino Babylon-Mitte. Vollständiges Programm unter: femmes-totales.de/kinofinder/

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