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Der Riss

VORURTEILE Eine neue Studie zeigt: Die Deutschen sind tief gespalten. Die meisten verteidigen Demokratie und Flüchtlingspolitik, eine Minderheit aber radikalisiert sich

Aus Berlin Konrad Litschko

Als Angela Merkel gerade ihre erneute Kanzlerkandidatur ankündigte, skizzierte sie auch ihren künftigen Kurs. Für den Zusammenhalt im Land wolle sie arbeiten, „dafür, dass wir gesprächsfähig miteinander sind.“

Es dürfte schwierig werden. Wie aus der neuen „Mitte“-Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und der Universität Bielefeld hervorgeht, ist die deutsche Gesellschaft gespalten wie seit Jahren nicht.

Die Befragung zählt zu den renommiertesten Sozialstudien Deutschlands. Seit 2002 wird sie alle zwei Jahre erhoben. Diesmal wurden 2.000 Personen befragt, von Juni bis August 2016.

Und 84 Prozent von ihnen befanden: Die hiesige Demokratie funktioniere „im Großen und Ganzen ganz gut“. Eine Mehrheit, 56 Prozent, begrüßte auch die Aufnahme von Flüchtlingen. Und die Fremdenfeindlichkeit lag zwar immer noch bei 19 Prozent unter allen Befragten – vor zehn Jahren aber war sie doppelt so hoch. „Die Bevölkerung wird in ihrer grundsätzlich positiven Grundhaltung und ihrer Bereitschaft zum Engagement für Geflüchtete unterschätzt“, konstatieren die Studienautoren.

Empfänglich für Populismus

Die Deutschen neigten weniger zu populistischem Gedankengut als Bürger anderer EU-Staaten, heißt es in einer Studie des britischen YouGov-Instituts. Danach teilten in Deutschland 18 Prozent der Befragten populistische Einstellungen – in Polen 78 Prozent, in Frankreich 63 Prozent und in den Niederlanden 55 Prozent.

Je älter die deutschen Wähler sind, desto größer sei ihre Sympathie für rechtspopulistische Parteien. Und mehr Männer (65 Prozent) neigten zu Populismus als Frauen (35 Prozent).

Empfänglich für Populismus sind laut der Studie Personen, die die EU ablehnen, Vorbehalte gegen Einwanderung und eine kritische Haltung zum Respekt der Menschenrechte haben sowie eine Vorliebe für offensive nationale Außenpolitik. (epd, taz)

Das Problem nur: Parallel radikalisiert sich eine Minderheit – mit genau entgegengesetzter Stoßrichtung. So gab gut jeder dritte Befragte an, in Deutschland lebten zu viele Ausländer. Ein Viertel befand, die regierenden Parteien würden „das Volk“ betrügen. Und 13 Prozent waren überzeugt, die Weißen seien zu Recht führend in der Welt.

Knapp jeder fünfte Befragte äußerte auch Ressentiments gegen Muslime. Und trotz aller grundsätzlichen Zustimmung vieler zur Flüchtlingspolitik stiegen auch die Vorurteile über Asylsuchende: von zuletzt 44 auf nun 50 Prozent.

Jeder Vierte erklärte, der Lebensstandard der Deutschen werden durch Flüchtlinge sinken. Gerade bei dieser Kategorie gebe es kaum noch Unterschiede zwischen der Bildung und dem Einkommen der Befragten, bemerken die Wissenschaftler.

Für die Ressentiments sehen sie einen jahrelangen Vorlauf. Mitverantwortlich sei aber auch die Flüchtlingsdebatte, die von den „Asylchaos-Kampagnen“ der AfD und rechter Gruppen dominiert sei. Folge: Vorurteile würden inzwischen „ganz offen als ‚eben eine Meinung‘ verteidigt“. Die Position, dass einige Menschen minderwertig seien, sei kein Tabu mehr – sondern werde zur Normalität.

Die Position, dass einige Menschen minderwertig seien, sei kein Tabu mehr

Und: Die Gewaltbereitschaft steigt. Immerhin 14 Prozent der Befragten erklärten, bereit zu sein, sich „mit körperlicher Gewalt gegen Fremde durchzusetzen“. Zahlen des BKA unterstreichen das: In diesem Jahr wurden dort bereits wieder mehr als 840 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte gezählt, 64 davon waren Brandstiftungen.

Von einem „tiefen Spalt, der derzeit kaum überbrückbar zu sein scheint“, schreiben die Studienautoren. Ihr Vorschlag: Die Politiker sollten die demokratiezugewandte Mehrheit stärker unterstützen. Diese habe im Zuge der Flüchtlingshilfe ein „enormes Revival erfahren“. Daran ließe sich anknüpfen.

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