Elf Freunde müsst ihr nicht sein

Rot-Rot-Grün Offiziell bestätigt ist nichts, aber diese Namen werden gehandelt. Fest steht: Vier Ressorts gehen an die SPD, jeweils drei an Linke und Grüne. Für die Mietenpolitik ist künftig die Linkspartei zuständig, Innensenator wird wohl SPD-Mann Geisel

Ohne Geld ist alles nichts

Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Das ist der politische Leitsatz des alten und neuen Finanzsenators Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Anders als seine Vorgänger Ulrich Nußbaum und Thilo Sarrazin ist der linke Sozialdemokrat kein Sparkommissar, sondern Gestalter und Ermöglicher. Und gerade das braucht Berlin: Ideen, wie in Schulen, Wohnungen, Radspuren investiert wird, ohne neue Schulden aufzunehmen. Und: Kollatz-Ahnen ist nicht eitel und kein Parteisoldat, wird also auch mit einer Stadtentwicklungssenatorin Lompscher zusammenarbeiten können, die von der Linken kommt. (wera) Foto: A. Dittmer

Ein bisschen hiervon & davon

Überraschend ist die Nominierung von Andreas Geisel (SPD), bislang Bausenator, für das Amt des Innensenators, nur auf den ersten Blick. Schaut man genauer hin, scheint der Posten für den hemdsärmeligen, mit der Statur eines Bullen ausgestatteten Geisel wie gemacht. Ein SPD-Innensenator – aus ­Polizeisicht hätte es weitaus schlimmer kommen können, grüner etwa. Mit Geisel wird es keine Experimente geben, ein bisschen harte Kante, ein bisschen Deeskalationsstrategie. Will er sich von seinem Vorgänger Frank Henkel absetzen, wird Geisel auch in der krisengeschüttelten Verwaltung Akzente setzen. (epe) Foto: dpa

Gesündere Verbraucher

Die bisherige Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat (SPD), muss umsatteln: Nach Medienberichten soll sie zuständig werden für Gesundheit und Verbraucher. Allzu schwer sollte das der Wirtschaftsmathematikerin, die 1967 in der Türkei geboren wurde, nicht fallen. Bevor sie 2011 in den Senat eintrat, galt sie als Finanzexpertin und hatte sich für dieses Ressort ins Spiel gebracht. Arbeit und das andere „Gedöns“ waren also nie ihr Ding – und viele Lorbeeren hat sie sich auf diesen Feldern nie erworben. Doch als Quotenmigrantin und -frau ist sie für die Partei unersetzlich. (sum)

Foto: Hüseyin Islek

Keine leichte Übung

Sie war bis zuletzt eine Wackelkandidatin: Sandra Scheeres hat seit 2011 für die SPD das Bildungsressort verantwortet, dem in der letzten Legislatur noch Wissenschaft zugeschlagen war. Tatsächlich konnte die 46-Jährige wenige positive Akzente setzen: Was bei den Eltern vor allem hängen blieb, war die Abschaffung der Kitagebühren – was als Verdienst von SPD-Fraktionschef Raed Saleh gilt. Die zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre: Schulsanierung, Fachkräftemangel, Kitaplatzausbau. Kein bequemes Ressort – wohl auch deshalb wurde nie eine Alternative zum Fragezeichen Scheeres gehandelt. (akl)

Foto: dpa

Zur Erholung in die Oper

Anstrengend müssen für Klaus Lederer die letzten Monate gewesen sein: Erst legte er für die Linke einen fulminanten Wahlkampf hin, dann leitete er federführend für seine Partei die Koalitionsverhandlungen – mit sehenswerten Ergebnissen. So ist es nur gerecht, dass der Opern- und Theaterliebhaber nun das Hängemattenressort Kultur übernehmen wird. Umtriebig wird er wohl aber auch da bleiben. Schon vor der Wahl forderte er in einem Essay einen kulturpolitischen Neustart, eine integrierende Kulturpolitik von der Staatsoper bis zu ­Bezirken. Eine Verwaltung des Status quo wird es mit ihm nicht geben. (epe) Foto: reuters

Integration macht Arbeit

Die Ressorts Arbeit und Soziales und offenbar auch Integration gehen an die Linkspartei. Als Senatorin war am Mittwoch die langjährige Abgeordnete Elke Breitenbach (Foto) im Gespräch. Ihre Fachkenntnis ist unbestritten, eine Rolle im Senat wäre allerdings neu für die 55-jährige Politologin. Carola Bluhm, deren Name ebenfalls kursierte, hat in dieser Funktion dagegen Erfahrung gesammelt: Unter Rot-Rot war sie von 2009 bis 2011 bereits Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales. Unklar war zunächst, ob die Ausländerbehörde statt wie bisher bei der Innenbehörde nun bei der Integrationsverwaltung angesiedelt wird. (all) Foto: Caro

Wohnen soll keine Ware sein

Als Raucherin war Katrin Lompscher 2006 Gesundheitssenatorin geworden – eine durchaus ungewöhnliche Besetzung. Nun wird die ehemalige Baustadträtin von Lichtenberg Senatorin für Bauen, Wohnen und Mieten – das passt. Lompscher bringt die nötige Fachkenntnis mit und zugleich eine politische Überzeugung: Wohnen darf nicht dem freien Spiel des Marktes geopfert werden. Anders als ihr Vorgänger setzt sie nicht allein auf Neubau, sondern auch auf die Bezahlbarkeit der Wohnungen, die da sind. Die Linke hat ihr Wunschressort bekommen und ihre Wunschkandidatin. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. (wera) Foto: Linke

Grünes Wirtschaften

Für die bisherige Fraktionschefin der Grünen, Ramona Pop, soll es das Wunschressort gewesen sein: Sie wird Senatorin für Wirtschaft und Energie. Die Diplom-Politologin gilt als Vertreterin des Realo-Flügels, war im Wahlkampf Teil des vierköpfigen Spitzenteams und hat durchaus gute Kontakte in die Wirtschaft. Womöglich reizt es sie, das bislang von der CDU lahm geführte Ressort politischer zu gestalten – und zu beweisen, dass Wirtschaft eben nicht (nur) in der Wirtschaft gemacht wird. Interessant ist für Grüne aber auch der Bereich Energie, wo es um Klimapolitik und Rekommunalisierung der Netze geht. (sum) Foto: dpa

Es müllert im Roten Rathaus

Michael Müller hat im rot-rot-grünen Getümmel das Sagen: Er ist der alte, neue Regierende Bürgermeister. Er hat die Richtlinienkompetenz, kann SenatorInnen ernennen und entlassen. Am 8. Dezember soll er im Abgeordnetenhaus gewählt werden.

Der 51-jährige Tempelhofer muss den Laden zusammenhalten, was bei drei eigenwilligen Koalitionspartnern keine leichte Aufgabe werden dürfte. Auch an seiner Moderationsfähigkeit wird sich entscheiden, ob Rot-Rot-Grün ein Erfolgsmodell wird – oder nicht.

Seine Position dabei könnte stärker sein: Mit 21,6 Prozent hat der SPD-Chef im September ein für die Genossen denkbar schlechtes Ergebnis eingefahren. Das machte sich auch in den Koalitionsverhandlungen bemerkbar. Schlüsselressorts gingen an Linkspartei und Grüne, die bei der Wahl nur rund 6 Prozentpunkte hinter der SPD lagen.

Die kommenden Jahre wird Müller zu nutzen versuchen, der SPD wieder zu mehr Profil zu verhelfen. Das muss er auch, sonst steigt ihm die eigene Partei aufs Dach. (all) Foto: dpa

Grün macht grün

Dass ein rot-rot-grüner Senat den Themen Verkehr und Umwelt mehr Gewicht beimessen würde, war von vornherein klar. Die Grünen tragen die Öko-Kompetenz sogar noch im Namen, und sowohl sie als auch die Linken hatten sich im Wahlkampf klar auf die Seite der RadfahrerInnen und kritisch gegenüber dem Autoverkehr positioniert. Dabei muss sich noch zeigen, ob der Umfang der geplanten Investitionen in die Rad-Infrastruktur den „Volksentscheid Fahrrad“ besänftigen und zum Verzicht auf ein Volksbegehren bewegen kann. Dass die Grünen den Posten besetzen, steht fest, der oder die InhaberIn jedoch nicht. Im Gespräch war der bisherige Pankower Stadtrat Jens-Holger Kirchner – nur hatte der als Mann, Pankower (kein Kreuzberger!) und Realo einen proporztechnisch schwierigen Stand. (clp)

Zeit für einen Wechsel

Nach zehn Jahren Abgeordnetenhaus ist es Zeit für einen Wechsel. Das hatte der Rechtsexperte der Grünen, Dirk Behrendt, selbst erkannt und nicht mehr für das Parlament kandidiert, zumal sein Lebensgefährte nun auch in der Fraktion sitzt. Eigentlich hatte der 45-jährige Behrendt mit dem Gedanken gespielt, in seinen Richterberuf zurückzukehren oder sich um ein Bundestagsmandat zu bewerben. Nun wird er Justizsenator. Die verkrusteten Strukturen in den Knästen müssten aufgebrochen werden, hat er in der Opposition gefordert. Jetzt kann der Parteilinke zeigen, dass Reformen möglich sind. (plu)

Foto: Daniel Kause