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Verwandte zu Tode gequält

Exorzismus Fünf Koreaner stehen vor Gericht, weil die Teufelsaustreibung an einer Verwandten tödlich endete. Verteidiger kämpfen für nichtöffentliches Verfahren

Öffentlich oder nicht: darüber wird in diesem Prozess gestritten Foto: Boris Roessler/dpa

Von Christoph Schmidt-Lunau

FRANKFURT AM MAIN taz | Es geht in diesem ungewöhnlichen Prozess um eine monströse Tat. Vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts müssen sich fünf Angehörige einer koreanischen Familie im Alter von 16 bis 41 Jahren verantworten. Sie sollen eine 41 jährige Frau aus ihrer Familie in einem Frankfurter Hotel bei einer angeblichen Teufelsaustreibung zu Tode gequält haben. Für das Gericht überwiegt das öffentliche Interesse an einem aufsehenerregenden und ungewöhnlichen Tötungsdelikt im Wahn exorzistischer Vorstellungen. Die Verteidigung dagegen befürchtet die Stigmatisierung und Bloßstellung der beiden 16-jährigen Angeklagten.

Schon die ersten Meldungen am Morgen des 5. Dezember 2015 klangen wie Nachrichten aus einer anderen Welt. Damals war die Polizei ins Frankfurter Luxushotel Interconti gerufen worden. In Zimmer 433 fanden die Ermittler die Leiche einer 41-jährigen Frau, die offenbar mit brutaler Gewalt getötet worden war. Als Tatverdächtige nahm die Polizei fünf Familienmitglieder fest, darunter die 45-jährige Cousine Naree K.und den damals 15-jährigen Sohn des Opfers. Seitdem sitzen alle fünf in Untersuchungshaft.

Sicher ist in diesem Verfahren bislang nur das, was Forensiker und Staatsanwaltschaft zusammengetragen haben. Der Todeskampf des Opfers habe sich demnach „über Stunden“ hingezogen. Der Frau sei ein Handtuch und ein Kleiderbügel in den Mund gestopft worden. Der Körper sei mit Hämatomen übersät gewesen. „Die Qualen gingen über das für die Tötung erforderliche Maß hinaus“, so die Staatsanwaltschaft. Dass die Angeklagten mit Gewalt ihr Opfer angeblich von Dämonen befreien wollten, schließen die Ermittler aus den ersten Aussagen der Hauptangeklagten und Cousine des Opfers, Naree K. Sechs Wochen vor dem Vorfall habe die Familie ein Haus im Taunus gekauft, um sich dort eine Existenz aufzubauen. In dem Haus habe das spätere Opfer Dämonen vermutet, die Frau habe um sich geschlagen und geschrien, deshalb sei man ins Hotel umgezogen, berichtete ihre Peinigerin der Polizei.

„Die Qualen gingen über das für die Tötung erforderliche Maß hinaus“

Staatsanwaltschaft

Seit Prozessbeginn vor zwei Wochen dominiert das Tauziehen zwischen Verteidigung und Gericht über die Öffentlichkeit des Verfahrens. Jugendstrafverfahren sind grundsätzlich nicht öffentlich. Das Gericht sieht in diesem Fall das öffentliche Interesse als überwiegend gegeben an. Am Dienstag hatte das Gericht einen Antrag von Rechtsanwalt Renè Bahns auf Ausschluss der Öffentlichkeit abgelehnt mit der Begründung: Das öffentliche Verfahren gefährde wohl nicht die spätere Resozialisierung des Jugendlichen. Bahns, der den mittlerweile 16-jährigen Sohn des Opfers vertritt, kritisierte: „Diese Begründung ist zynisch. Die Mutter meines Mandanten ist tot, seine Familienangehörigen leben weit weg in Korea. Er beherrscht die deutsche Sprache nicht und diese Entscheidungen der Kammer haben sein Vertrauen in die Unvoreingenommenheit des Gerichts endgültig erschüttert“, so Bahns. Mit einem Befangenheitsantrag gegen alle fünf Richter versuchte er das Verfahren sogar zu stoppen. Doch der Vorsitzende Richter nahm auch diesen Antrag schlicht zu den Akten und setzte die Verhandlung fort.

Nach der Mittagspause beantragte dann der Verteidiger des Mitangeklagten Taeil O., Oliver Wallasch, die Öffentlichkeit vorübergehend auszuschließen. In der Zeit – und nur dann werde er seine Gründe darlegen. Das Gericht gab dem statt. Ein Urteilstermin steht noch nicht fest.

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