: Die Nord-CDU und ihr Führungskräfteproblem
Schleswig-Holstein Der Rücktritt des CDU-Spitzenkandidaten bringt die Partei in Bedrängnis
Sogar in Sachen Rücktritte waren sie schon mal besser: Als im Herbst 2011 die damalige CDU-Hoffnung Christian von Boetticher reumütig das Spitzenamt räumte, nahm die ganze Republik Anteil an seinem Auftritt mit Taschentuch und seinem Geständnis, die Affäre mit einer 16-Jährigen sei Liebe gewesen. Diesmal gab es nur einen eiligen Pressetermin, bei dem Ingbert Liebing vor allem erleichtert wirkte, das Amt los zu sein. Der 53-jährige Bundestagsabgeordnete war trotz der Doppelrolle als Landesparteichef und Spitzenkandidat so gut wie unbekannt geblieben. Bestenfalls erntete er Kopfschütteln, etwa mit dem Ruf nach einer „Verabschiedungskultur“ für Flüchtlinge.
Seit dem Abschied des ehemaligen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, dessen bärig-poltriger Charme im Land gut ankam, ist die CDU Schleswig-Holstein auf der Suche nach einer Führungspersönlichkeit. Der Spitzenkandidat von 2012, Jost de Jager, schaffte nicht einmal den Einzug in den Landtag. Schuld daran ist ironischerweise der zu große Erfolg der Partei. Da die CDU fast alle Direktmandate gewinnt, kommt die Landesliste nur selten zum Zug. Das Ergebnis: Die Landtagsfraktion ist zu alt, zu ländlich und zu männlich. Obwohl dies in der Partei selbst als Problem gesehen wird, scheint eine Besserung nicht in Sicht. So verlor kürzlich eine profilierte Abgeordnete ihr Mandat an einen Mann, der bisher nur kommunalpolitische Erfahrungen aufweisen kann.
Daniel Günther will nun „neue Begeisterung in die Partei und ins Land tragen“. Der Vater einer Tochter stammt aus dem Ostseestädtchen Eckernförde und war nach seinem Studium fast ausschließlich in Parteiämtern tätig. Inhaltlich will die CDU auf das Motto „sicheres Leben“ setzen. „Die Menschen sollen sich auf den Staat wieder verlassen können“, sagte Günther bei der Vorstellung des Programmentwurfs. Dazu sollten die Bereiche Verwaltung, Polizei, Schulen und die Gesundheitsversorgung gestärkt werden. Der jetzigen Regierung unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) warf er Ideenlosigkeit vor. Esther Geisslinger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen