PRESS-SCHLAG Spitzenkicker verdienen fast das 200-Fache eines normalen Angestellten. Exzess oder Normalität?
: Na klar, die dürfen das

Neulich geisterte eine Meldung durch die Boulevardmedien, die Betroffenheit auslöste. Die Gesponsin des in Paris beschäftigten Fußballers Jesé dürfe auf Geheiß des Balltreters nur noch 6.000 Euro in der Woche ausgeben. Macht 24.000 Euro im Monat. Das ist ein schwerer Schlag für Aurah Ruiz, aber nicht wirklich für Jesé, der, abzüglich des Taschengeldes für die Schöne, immer noch über 100.000 Euro im Monat einstreicht. Aber diese Apanage ist in der Branche der Spitzenkicker ein lächerlich niedriger Betrag, der zum Sparen zwingt. Ein Thomas Müller vom FC Bayern München zum Beispiel kriegt viel mehr. Er verdient brutto etwa 15 Millionen Euro. Das macht in der Woche 288.461 Euro. An einem einzigen Tag sackt der sympathische Offensivspieler 40.983 Euro ein.

Das entspricht Pi mal Daumen dem Jahresgehalt eines normalen Angestellten. Nochmal: Ein Bundesbürger ohne fußballerische Spezialbegabung muss ein Jahr lang im Büro für ein Gehalt arbeiten, das ein Fußballer der Spitzenklasse binnen 24 Stunden bekommt. Das ist bemerkenswert. Man könnte annehmen, dies führe zur Ächtung des Spielers Müller, aber das Gegenteil ist der Fall. Der Fan bewundert ihn, rennt zu seinen Spielen und zahlt pro Jahr vielleicht 1.000 Euro an den FC Bayern, weil er sich Karten und Leibchen gekauft hat. Müller erscheint nicht als Raffzahn, sondern als eine prima funktionierende Ich-AG innerhalb der FC Bayern AG. Der hat das doch verdient, oder?

Hat er. Das Geld ist ja nun mal da.

Dabei kommt es ja eigentlich noch ärger: Nehmen wir einmal an, der Durchschnittslohn eines FC-Bayern-Angestellten auf der Verwaltungsebene des Klubs betrage 7.000 Euro, dann verdient Müller das 178-Fache davon. Das Wörtchen Gehaltsexzess ist nicht fehl am Platz, wenn man bedenkt, dass es nicht so gut ankommt, wenn der Vorstand eines DAX-Unternehmens das 150-Fache des Durchschnittslohns der Angestellten verdient. In der Öffentlichkeit hat man sich darauf geeinigt, dass das 50- bis 100-fache halbwegs okay ist. Ein etwas radikalerer Ansatz in der Schweiz, wo man per Volksentscheid versuchte, die Vorstandsgehälter auf das 12-Fache eines Arbeiterlohns zu begrenzen, scheiterte 2013. Wenn man diese Forderung ernst nimmt, dürfte Müller im Monat nur 84.000 Euro verdienen. Zum Vergleich sein aktuelles Monatseinkommen: 1,25 Millionen Euro. Müller müsste den Gürtel enger schnallen.

Aber will das jemand? Nö. Ist das Supergehalt ein Aufreger? Auch nicht. Und wenn doch, dann wird das Ganze schnell mit dem Etikett „Neiddebatte“ versehen und flugs abmoderiert. Der Rechtfertigungsdruck, sofern er überhaupt entsteht, wird schneller abgelassen als Luft aus einer lecken Pille. Den Profifußballern und allen anderen, die am großen Rad drehen, wird eine Art Naturrecht eingeräumt auf das grenzenlose Gehalt.

An einem einzigen Tag sackt der sympathische Offensivspieler 40.983 Euro ein

Aber warum wird in der Fußballszene das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit so verquer ausgelegt? Weil andere Maßstäbe gelten. Weil sich der Fußball durch seinen zirzensischen Charakter oft außerhalb des Koordinatensystems vernünftiger Gesellschaftsanalyse bewegt. So wird der Profifußball unter lautem Knattern der Mythenmaschine zum neoliberalen Utopia. Markus Völker