piwik no script img

Missklang am Beckenrand

WILLI-BREDEl-GESELLSCHAFT Bäderland hat der Ohlsdorfer Geschichtswerkstatt Räume gekündigt. Die hofft, nachdem eine Alternative platzte, auf eine Vertragsverlängerung

von Petra Schellen

Die Willi-Bredel-Gesellschaft hat Angst vor Obdachlosigkeit. Die könnte im Januar 2017 eintreten, denn der städtische Vermieter Bäderland hat der Geschichtswerkstatt, die seit 23 Jahren im alten Eingangsgebäude des Ohlsdorfer Schwimmbads residiert, zum 31. Dezember die Räume gekündigt.

Allerdings nicht explizit der Bredel-Gesellschaft, die auch die letzten NS-Zwangsarbeiterbaracken in Fuhlsbüttel vor dem Abriss rettete und als Museum betreibt. Bäderland hat im Zuge des Schwimmbad-Neubaus vielmehr dem offiziellen Vertragspartner gekündigt: dem Förderverein Grüner Grund 1, in dem alle Mieter des Gebäudes organisiert sind. Dazu zählen neben der Bredel-Gesellschaft der Hamburger Schwimmclub (HSC), die Beschäftigungsgesellschaft Mook Wat und der Veranstalter Grüner Saal e. V.

Wobei es zunächst so aussah, als würde Bäderland die Räume des HSC und der Bredel-Gesellschaft künftig nicht brauchen und sei zu Zugeständnissen bereit. „Bäderland nimmt den dringenden Wunsch der Teilmieter HSC und Willi Bredel Gesellschaft zur Kenntnis, zum 1. 1. 2017 das Angebot eines neuen Einzelmietvertrags zu erhalten“, steht in einem ­Schreiben vom 15. Juni.

Dann allerdings wird es kompliziert: Denn während der Schwimmclub zügig über einen Folgevertrag verhandelte, äußern sich die Vorstandsmitglieder der Bredel-Gesellschaft widersprüchlich. Fest steht, dass sich das Bezirksamt Nord verpflichtete, die Bredel-Gesellschaft – mit 15.000 Euro jährlich gefördert – bei der Suche nach preisgünstigen Alternativen zu unterstützen. Sicher ist auch, dass es bald ein Angebot am Ratsmühlendamm gab, das der Vorstandsvorsitzende Hans Matthaei laut Vereinskollegen besichtigt haben soll. Matthaei selbst kann sich auf taz-Anfrage aber nicht erinnern, wann er welche Räume anschaute.

Vermutlich war es im September, denn am 13. Oktober schrieb Bäderland der Bredel-Gesellschaft, dass die alten Räume „leider nicht mehr für eine Vermietung zur Verfügung stehen“. Dort sei Gastronomie geplant, sagt Sprecher Michael Dietel. „Außerdem hatten wir gehört, dass die Bredel-Gesellschaft andere Räume in Aussicht hat.“ Eine offizielle Absage, gegründet auf Hörensagen: ein kurioser Vorgang.

Die Willi-Bredel-Gesellschaft

Benannt hat sich die Geschichtswerkstatt nach dem sozialistisch-realistischen Schriftsteller Willi Bredel (1901–1964). Wegen seiner KPD-Mitgliedschaft hielt ihn das NS-Regime 1933/34 im KZ Fuhlsbüttel fest. Bredels Band „Die Prüfung“ (1934) war der erste international beachtete Roman über ein deutsches KZ.

Entstanden ist die Gesellschaft 1988 aus einer Bürgerinitiative für die Einrichtung einer Gedenkstätte im Torhaus des einstigen KZ Fuhlsbüttel. Sie betreibt ein Archiv zur Regionalgeschichte, zum antifaschistischen Widerstand, zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung sowie zum Werk Bredels.

Wichtige Etappe war 1988 der Erwerb der letzten originalgetreu erhaltenen Zwangsarbeiterbaracken Hamburgs. Darin ist eine Dauerausstellung eingerichtet.

Noch kurioser: Am selben Tag tagte die Bezirksversammlung Nord, auf der sich laut Senatsdrucksache herausstellte, dass für die Räume am Ratsmühlendamm „ein anderer Interessent den Zuschlag erhalten hat“. Insider behaupten aber, dass die Bredel-Gesellschaft die Räume abgelehnt habe.

Eine Gemengelage, so dissonant wie das Verhältnis von Vermieter und Mieter: Oft hatte die Bredel-Gesellschaft in den letzten Jahren gegen den Verkauf des Ohlsdürfer Freibads durch Bäderland protestiert, hatte ihre Schaukästen mit Protestnoten bestückt. Diese Unbotmäßigkeit könnte zur aktuellen Missstimmung beigetragen haben.

Infolge des öffentlichen Drucks und einer Unterschriftenliste, die die Bredel-Gesellschaft an die Kulturbehörde gab, ist inzwischen aber Land in Sicht: Bäderland hat der Bredel-Gesellschaft Gespräche über eine mehrmonatige Zwischenlösung in den alten Räumen angeboten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen