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Der große Umsturz ist abgesagt

Island Regierende Konservative bleiben stärkste Partei in Island und können vermutlich weiterregieren. Piraten landen erst an dritter Stelle. Wahlbeteiligung nur bei 79 Prozent

Als Exotenpartei konnten die Piraten die WählerInnen nur bedingt überzeugen Foto: Birgir Þór Harðarson/dpa

Von Reinhard Wolff

STOCKHOLM taz | Unwetter hatten die Meteorologen in Island auch für Samstag vorhergesagt. Es gab deshalb Befürchtungen, dass sich der Transport der Wahlurnen verzögern und die Auszählung der Stimmen sich verspäten könnte. Doch der Sturm flaute rechtzeitig ab. Auch das in Umfragen prognostizierte politische Erdbeben fand nicht statt. Die amtierende Mitte-rechts-Regierung wird vermutlich weitermachen können. Weil sie aber nur auf 29 der 63 Mandate im künftigen Alþingi kommt, braucht sie für eine parlamentarische Mehrheit einen zusätzlichen Koalitionspartner.

Die ­Regierungsalternative, eine Konstellation von vier Oppositionsparteien unter Einschluss der Piratenpartei, konnte dagegen nur enttäuschende 27 Mandate erringen. Die Píratapartýið blieb mit 14,5 Prozent hinter den Erwartungen, konnte aber ihre Mandatszahl von 3 auf 10 mehr als verdreifachen und wurde drittstärkste der sieben Parteien, die den Sprung ins Parlament schafften.

Stärkste Oppositionspartei wurden mit 15,9 und damit einem Plus von 5 Prozent gegenüber der Wahl von 2013 die Links-Grünen. Deren Parteivorsitzende Katrín Jakobsdóttir als mögliche Ministerpräsident einer Koalition mit Piraten, Sozialdemokraten und den Liberalen verständigt. Dass es für diese Viererkonstellation nun nicht reichte, liegt an Stimmenverlusten der Sozialdemokraten. Vor zwei Legislaturperioden noch eine 30-Prozent-Partei, musste sie diesmal froh sein, mit 5,7 Prozent überhaupt noch ins Parlament zu gelangen.

Schon in der Wahlnacht hatte Bjarni Benediktsson, Vorsitzender der konservativen „Selbständigkeitspartei“ und mit 29 Prozent klarer Wahlsieger, Anspruch auf die Regierungsbildung erhoben. Seine Partei hat seit 2013 zusammen mit der liberalen Fortschrittspartei die Regierung gestellt. Ihre bisherige Mehrheit von 38 der 63 Sitze hat diese Koalition verloren, weil der Fortschrittspartei (11,5 statt 24,4 Prozent) als Reaktion auf Enthüllungen der Panama-Paper über die Hälfte der WählerInnen davonliefen.

Zünglein an der Waage ist die liberale „Renaissance“, die auf über 10 Prozent und 7 Mandate kam

Ihr Parteivorsitzender und Ministerpräsident Sigmundur Davið Gunnlaugsson war mit einer Briefkastenfirma in Panama erwischt und nach Protesten der Bevölkerung im April zum Rücktritt gezwungen worden. Doch ohne einen zusätzlichen Partner hat er keine Mehrheit im Parlament. Zünglein an der Waage ist die liberale „Renaissance“ (Viðreisn), die vor zwei Jahren von einem ehemaligen Parteifreund Benediktssons gegründet worden war und jetzt auf Anhieb auf über 10 Prozent und 7 Mandate kam. Sie konnte vor allem unzufriedene WählerInnen der bisherigen Regierungsparteien anlocken. Ob sich die Partei nun wieder auf deren Seite schlägt, oder einer Linkskoalition zur Mehrheit verhilft, blieb noch offen.

Erste Analysen machen die mit 79 Prozent bislang niedrigste Wahlbeteilung in der Geschichte der Republik Island mitverantwortlich dafür, dass die unerfahrene Piratenpartei nicht das ihr vorab prophezeite Resultat erreichen konnte. Massive interne Streitigkeiten, die sich oft an Alleingängen der macht- und medienverliebten Frontfigur Birgitta Jónsdóttir entzündeten ließen im Juli den populärsten Piraten, den zum „Politiker des Jahres 2015“ gewählten Abgeordneten Helgi Hrafn Gunnarsson das Handtuch werfen. Die Wahl war sicher nicht die letzte Bewährungsprobe für die Zukunft der isländischen Piraten.

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