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Fest der Theaterfamilie verbunden

Jubiläum Der „jugendliche Held“ war sein Metier, und manchmal musste er anstelle des abgestürzten Harald Juhnke auf die Bühne. Am Samstag feiert Jürgen Wölffer, langjähriger Leiter der Ku’damm-Bühnen, den Achtzigsten – in angespannter Zeit für die Theater

von Esther Slevogt

Kleists Prinzen von Homburg zum Beispiel, den hätte er gern einmal gespielt. Und einen Vertrag dafür hatte er sogar schon in der Tasche, damals als junger Schauspieler in den 1950er Jahren. In diesem „verträumten Preußen“ erkannte Jürgen Wölffer sich selbst. Doch immer kam etwas dazwischen zwischen Wölffer und Kleists Preußenprinzen. Wölffer spielte Goethes Clavigo oder den jungen Prinzen Heinz in Shakespeares Historiendrama „Heinrich IV.“, und arbeitete unter so legendären Intendanten wie Karl-Heinz Stroux oder Boleslaw Barlog am Schillertheater.

Den „jugendlichen Helden“, wie das Schauspielerfach hieß, das er damals besetzte, sieht man dem 1936 Geborenen auch kurz vor seinem 80. Geburtstag noch an. Trotzdem kam alles anders, und Jürgen Wölffer stieg 1965 ins Familienunternehmen ein: die beiden Theater am Kurfürstendamm. Die Geschichte seiner Familie ist seit über 83 Jahren mit diesen Bühnen verbunden, die er von 1976 bis 2004 geleitet hat und dann an seinen Sohn Martin übergab. Drei Jahre vor Jürgen Wölffers Geburt war sein Vater Hans zum ersten Mal Direktor dieser Bühnen geworden – im berüchtigten Jahr 1933.

Die Gründung der Theater fällt in die 1920er Jahre, als der Kurfürstendamm mit seiner einzigartigen Kinodichte der deutsche Broadway war. Im Kino Alhambra, nur ein paar hundert Meter von den Ku’damm-Theatern entfernt, fand 1922 die Vorführung des ersten deutschen Tonfilms statt. 1921 war das Thea­ter am Kurfürstendamm, 1924 die Komödie am Kurfürstendamm eröffnet worden, um der Lichtspielkonkurrenz um die Zuschauer zu begegnen. Denn fortan konnte man die Stars, die in den riesigen Kinos lediglich auf Zelluloid zu sehen waren, in den eleganten wie intimen Thea­tern in Gesellschaftskomödien und Konversationsstücken leibhaftig und beinahe hautnah auf der Bühne erleben.

Und so blieb es auch im TV-Zeitalter seit den 1960er Jahren, als Fernsehstars auf den Ku’damm-Bühnen leibhaftig in Erscheinung traten, von Inge Meysel, Günter Pfitzmann über Georg Thomalla oder Ingrid Steeger bis hin zu Harald Juhnke, den Jürgen Wölffer in seinen Inszenierungen gelegentlich auch als Schauspieler vertreten musste: wenn der notorische Trinker Juhnke einmal wieder abgestürzt und vor der Vorstellung nicht mehr rechtzeitig ausgenüchtert war.

Damals lagen die Theater auf der Insel Westberlin, und man zitterte immer ein bisschen, dass die Alliierten diese Stadthälfte doch aufgeben würden. Die Mauer aber hatte zumindest den Vorteil, dass die Berlinbesucher tagsüber nie so weit weg konnten, um am Abend nicht trotzdem pünktlich in der Vorstellung zu sein.

Verwunschene Theaterorte

Der Streit ums Theater

Zu seinem 80. Geburtstag heute am Samstag hätte sich Jürgen Wölffer, langjähriger Leiter des Theaters und der Komödie am Kurfürstendamm, bestimmt anderes gewünscht als das Urteil, das das Berliner Landgericht am Dienstag den Ku’damm-Bühnen beschert hat. Das hat nämlich der Räumungsklage des Investors recht gegeben wegen der „hohen Zahlungsrückstände“ des Theaters bei Mieten und Betriebskosten. Der Rechtsanwalt der Theaterbetreiber kündigte Revision an, Jürgen Wölffers Sohn Martin, seit 2004 Direktor der Theater, sagte: „Wir werden die Theater auf keinen Fall verlassen.“

Seit zehn Jahren kämpfen die im Ku’damm-Karree liegenden Ku’damm-Bühnen gegen teils jährlich wechselnde Eigentümer und deren Umbaupläne des Karrees und dem damit drohenden Abriss der alten Theatersäle.

Am 2. November feiert das Theater am Kurfürstendamm seinen 95. Geburtstag mit der Berliner Premiere des Stücks „Er ist wieder da“. Weitere Info: www.komoedie-berlin.de

Das erzählt Jürgen Wölffer jetzt mit leicht melancholischem Lächeln im Restaurant Dressler im Ku’damm-Karree, in das auch die beiden Theater seit 1976 einbetoniert sind. Verwunschene Theaterorte mit Lüstern, mit meterhohen Spiegeln, viel Plüsch, aber auch rasant geschwungenen Türöffnungen und erstaunlichen Treppengeländern, denen ihre Herkunft aus der Zeit des Art déco noch anzusehen ist, als der berühmte Theaterarchitekt Oscar Kaufmann die beiden Theater entwarf. Es ist der Tag vor dem Gerichtstermin, an dem über die Räumungsklage der Investoren entschieden werden soll, die sich dann mit ihrem Anspruch auch durchsetzen werden. „Diese Theater haben die Weltwirtschaftskrise überlebt und die Nazizeit“, sagt Jürgen Wölffer, „sie überstanden Mauerbau und Mauerfall, ich hoffe, sie überleben weiter.“

Auch in der Verfasstheit der Bühnen als Privattheater ist ein Stück Geschichte aufgehoben. Max Reinhardt, zu dessen privatwirtschaftlich betriebenem Theaterunternehmen beide Häuser in den 1920er Jahren gehörten, betrieb auch das weltberühmte Deutsche Thea­ter ohne einen Cent öffentlicher Mittel, bis ihn die Nazis enteigneten und das Deutsche Theater Staatstheater wurde. Jürgen Wölffers Vater Hans, der die Ku’damm-Theater 1933 übernahm (Reinhardt hatte sich bereits 1931 davon getrennt), hatte sein Metier bei den Brüdern Rotter gelernt, den Inhabern des anderen privaten Thea­ter­konzerns, dem das Berlin der 1920er Jahre seinen Ruhm als internationale Theaterstadt verdankte. Wölffers Vater Hans manövrierte, von den Nazi­oberen nicht geliebt, die Ku’damm-Bühnen durch die Nazijahre, bis auch er 1942 enteignet wurde.

Jürgen Wölffer erinnert sich noch gut an Nachkriegsreisen mit dem 1951 in die Theaterleitung zurückgekehrten Vater zu den großen Theater- und Stück­agenten nach London, Paris oder New York, wohin einstige Berliner ihrer jüdischen Abstammung wegen emigriert waren. Zu George Marton nach Paris zum Beispiel, der vor dem Krieg der Agent von Vicki Baum, Erich Kästner und Frank Werfel gewesen war und der mit seiner Schwester Elisabeth nun die internationalen Rechte an Stoffen wie „La Cage aux Folles“ oder „Man of la Mancha“ vertrieb.

Marton war es auch, der Wölffer nach dem Tod von Hans Sanden ermutigte, in die Leitung des Theaters einzutreten. Auch Hans Sanden, der 1942 aus dem Zug geflohen war, der ihn nach Auschwitz bringen sollte, hatte vor dem Krieg im Theaterkonzern der Rotter-Brüder eine leitende Funktion gehabt. Von 1952 bis zu seinem Tod 1967 war Sanden stellvertretender Leiter der Ku’damm-Bühnen. „Viele dachten immer“, sagt Wölffer, „auch wir wären Juden. Aber das waren wir nicht.“

Irrlichternde Stars

Dass der 80. Geburtstag von Jürgen Wölffer nun groß gefeiert wird in der Komödie am Kurfürstendamm, verweist auch auf trotzigen Überlebenswillen

Das Wort „Boulevardtheater“ mag er nicht, weil es so abschätzig klingt. Mit Stolz erzählt er aus der Geschichte des Hauses, wo auch der legendäre Kabarettist Wolfgang Neuss entdeckt wurde: 1955 in einer „Kiss me Kate“-Inszenierung von Leo­nard Steckel, Remigrant aus der Schweiz, der eben noch bei Brecht in Ostberlin dessen Puntila gespielt hatte und dann wegen des immer stalinistischeren Klimas in der jungen DDR nicht mehr arbeiten wollte. Berühmt waren dann lange die 23-Uhr-Auftritte von Wolfgang Neuss und seinem Partner Wolfgang Müller am Freitag- und Samstagabend.

Zu den Höhepunkten seiner Theaterlaufbahn zählt Wölffer auch seine Inszenierung von Neil Simons „Die Sonny Boys“ von 1995 mit Wolfgang Spier und Harald Juhnke, dem schnodderigsten und irrlichterndsten Star des Theaters seiner Intendanz.

Seit 2006 nun droht den Thea­tern der Abriss und dem Kurfürstendamm der Verlust eines bedeutenden Stücks Geschichte. Dass der 80. Geburtstag von Jürgen Wölffer am Montag groß gefeiert wird in der Komödie am Kurfürstendamm, verweist nicht nur auf eine lange Lebens- und Theatergeschichte, sondern auch auf trotzigen Überlebenswillen.

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