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Irak:
Schauen Sie mal in das Buch rein:
Fanar Haddad, 2011, Sectarianism in Iraq: antagonistic visions of unity, London: Hurst.
Es gibt auch Aufsätze von Faleh Abdel Jabar, die ins Deutsche übersetzt wurden.
Es geht um die Zerstörung des Vertrauens der Einwohner untereinander seit den Jahren der paranoiden Despotie Saddam Husseins.
Der Shia - Sunni - Gegensatz ist nur einer von mehreren und nicht ständig in den Köpfen präsent.
Übrigens demonstrieren in Bagdad seit Monaten 100.000e Menschen, v.a. Junge, gegen die Unfähigkeit und Untätigkeit der Regierung Abadi und hatten mehr als einmal das Parlament besetzt. Sie wehren sich dort gegen die "schiitisch-iranische" Vereinnahmung.
Und wie in Afghanistan so wollen auch viele Einwohner im westlichen Teil Iraks nicht länger in der Logik der Verwandtschaftsverbände denken und leben. Werden aber dazu gezwungen.
Beate Seel, scheint es, ist eine sogenannte Zweckoptimistin. "Hier, in der zweitgrößten Stadt des Landes, begann im Sommer 2014 der Siegeszug des IS", schreibt sie, "und hier wird er wohl auch enden".
Dass Totgesagte länger leben, ist allerdings ein alter Hut. Der "Siegeszug des IS" hatte Ursachen. Ursachen, die man nicht wegbomben kann. Gut möglich also, dass der IS bald wieder aufersteht, wenn auch womöglich unter neuem Namen.
Das Zweistromland gilt als Wieger der Kultur. Die Könige, die dort geherrscht haben, haben zwar nicht als erste die Erfahrung gemacht, dass militärische Siege allein noch keine Garantie für einen dauerhaften Frieden sind, sie haben sie nur erstmals aufgeschrieben. Haben sie diese Lektion nicht schnell genug gelernt, erinnert sich heute niemand mehr auch nur an die Namen ihrer Länder, von ihren eignen ganz zu schweigen. Dem "Westen" steht diese Erfahrung offensichtlich noch bevor.
Übrigens: Sollte der irakische Regierungschef Haider al-Abadi tatsächlich dafür sorgen, "dass alle ethnischen und religiösen Gruppen des gespalteten Landes politisch teilhaben können", wäre das gerade mal ein erster Schritt in Richtung Friedenssicherung. Was danach kommt, ist sehr viel schwieriger. Er muss das Kunststück hinbekommen, den Warlords ihre Untertanen abzuwerben. In einem Land, das so vom Krieg geplagt ist wie Irak, wird das vermutlich ziemlich schwer.
Sieg über IS, Eroberung, besiegbar, Rückeroberung, Offensive... trotz der dahinter steckenden harten Realität möchte ich diesen Kriegsjargon in einer "linksliberalen" Zeitung gerne ein wenig kritischer hinterfragt sehen. Oder fallen jetzt alle Deppen schon wieder auf den Krieg hinein?
@Sapasapa Tun sie das denn nicht immer? Ich meine: Was macht denn einen Dummkopf zu einem Dummkopf? Das ist ja wohl der Kopf, der dumm genug ist, immer und immer wieder auf die gleichen alten Lügen reinzufallen, wenn man sie nur ein ganz klein wenig anders kleidet.
Soll der Ukraine erlaubt werden, Ziele tief in Russland mit westlichen Raketen und Marschflugkörpern anzugreifen? Ein Pro und Contra.
Kommentar Offensive auf Mossul: Ein Sieg über den IS ist zu wenig
In Mossul geht es um mehr als die Eroberung der Stadt. Wenn die Offensive nicht im Desaster enden soll, müssen ethnische Rivalitäten beachtet werden.
Peschmerga befreien Dörfer im Südosten von Mossul im August Foto: dpa
Sie wurde schon oft angekündigt und lange vorbereitet. Nun hat der irakische Regierungschef Haider al-Abadi am frühen Montagmorgen offiziell den Beginn der Offensive gegen die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ (IS) in Mossul verkündet. Hier, in der zweitgrößten Stadt des Landes, begann im Sommer 2014 der Siegeszug des IS, und hier wird er wohl auch enden.
Für die irakische Regierung ist es die größte Operation seit dem Abzug der US-Truppen im Jahr 2011 – eine Herausforderung, allerdings weniger in militärischem Sinn. Im Zweistromland selbst und in Syrien hat sich bereits gezeigt, dass der IS besiegbar ist, auch wenn sich die Kämpfe über Wochen oder Monate hinziehen können.
In Mossul geht es um weit mehr als die Rückeroberung der zweitgrößten Stadt des Irak. Es geht genauso darum, dass Abadi, ein Schiit, Verantwortung dafür übernimmt, dass alle ethnischen und religiösen Gruppen des gespalteten Landes politisch teilhaben können. Die Regierung scheint sich dieser Problematik zumindest bewusst zu sein. Die für Gewalttaten berüchtigten schiitischen Milizen kämpfen dieses Mal nicht an der Seite der irakischen Armee vor der mehrheitlich sunnitischen Stadt Mossul im Norden. Sie werden stattdessen vor Hawija, 100 Kilometer weiter südlich eingesetzt.
Wenn die Offensive nicht im Desaster enden soll, müssen ethnische Rivalitäten von Beginn an berücksichtigt werden. Dies gilt vor allem für die seit dem Sturz von Saddam Hussein politisch an den Rand gedrängten Sunniten. Ob Bagdad das gelingt, wird man daran ablesen können, wie und von wem Mossul nach der Rückeroberung verwaltet wird – eine derzeit noch offene Frage.
Es besteht durchaus die Gefahr, dass die Armee, schiitische und sunnitische Milizen, die kurdischen Peschmerga sowie die Türkei ihren Anteil an der „Beute“ mit der Macht der Waffen einfordern. Für die ohnehin geschwächte irakische Regierung wäre eine solche Entwicklung ein Worst-Case-Szenario. Erneut könnten dann politische Machtkämpfe ausbrechen, denn Abadi hat auch erbitterte Widersacher unter den Schiiten, allen voran seinen Amtsvorgänger Nuri al-Maliki. Nach einer Eroberung Mossuls aufflammende Kämpfe wären eine Steilvorlage für innerschiitische Konflikte. Für die Stabilität des Irak wäre das das denkbar schlechteste Zeichen.
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Schwerpunkt Syrienkrieg
Kommentar von
Beate Seel
Auslandsredakteurin
Sie bewältigt ihre Arbeit ohne Facebook und Twitter.
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