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Ein Brecht zum Knuddeln

THEATER Schauspielerisch stark und szenisch facettenreich inszeniert Alize Zandwijk Brechts Guten Menschen von Sezuan –und entgleitet für einen Lacher ins Seichte

von Benno Schirrmeister

Und dann marschieren also die Pappköpfe auf die Bühne, zweimal Donald Trump, einmal Donald Duck. Da wird’s dann echt zur Klamottenbühne, die nur ja keinen Skandal will und niemandem weh tut und nur auf Applaus aus ist und billige Lacher. Warum Regisseurin Alize Zandwijk sich entschieden hat, die ohnehin bereits durch Fatsuits fidel deformierten drei Götter aus Bert Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ am Ende als gefällig antiamerikanische Karikaturen auf die Bühne des Goetheplatz-Theaters wanken zu lassen, ist egal.

Wichtig ist nur, dass diese Entscheidung ihre ganze, nicht gerade bissig-politische, aber schauspielerisch doch starke, szenisch facettenreiche und – Beppe Costa spielt von der Mandoline bis zur Geige fast alles, was Saiten hat, dirigiert den Ensemble-Chor und weiß wie man mit Pickup und Loopgerät aus einer Plastikflasche große Sounds holt – musikalisch herausragende Inszenierung verrät und ins Seichte gleiten lässt: Es ist am Ende alles nur Amüsement. Ein schnuckliger Brecht, den man wirklich gern haben muss. Und zweifellos mit Freude sieht, vielleicht weil man am Ende doch noch die Hoffnung hegt, Zandwijk nähre damit noch einen verborgenen dialektischen Hintersinn der Aufführung – nämlich den Vorwurf, dass im Repräsentiertheaterhaus der Bourgeoisie die Politik ein Niveau des plumpen rheinischen Rosenmontagsfrohsinns nicht überschreitet. Oder misstraut sie dem Stück, das ja wirklich in die Jahre und in die Deutschkurse gekommen ist? Oder im Gegenteil, bereitet ihr seine mögliche Wirkmacht Sorge – und Brechts Hang zum Totalitären?

Für alle, die es nicht in der Schule lesen durften: „Der gute Mensch von Sezuan“ erzählt, wie drei Götter auf der Suche nach guten Menschen in der Provinz Sezuan nur bei der Prostituierten Shen Te fündig werden: Die beherbergt sie, die Besucher bedanken sich bei ihr mit 1.000 Silberdollar – und damit der Möglichkeit des Aufstiegs in eine Welt, in der Menschen Menschen unterdrücken. Sie kauft sich einen Tabakladen.

Der ist aber nur zum Preis der Anpassung an diesen Modus zu haben: Der tödliche Wunsch sich selbst zu verausgaben, also gut zu sein, lässt sich nur als Spaltung der Person mit dem Wunsch, zu überleben vereinbaren – denn dafür ist es notwendig, andere zu verzehren, also auszubeuten. Also hat Zandwijk Shin Te klug verdoppelt und ihre Stimme auf Fania Sorels niederländisch gefärbte Sprache und Nadine Geyersbachs etwas aufdringlich artifizielles und allzu sehr am Vorbild Sophie Rois ausgerichtete Spielweise verteilt. Und deshalb verwandelt sich Shen Te auch bei Brecht bereits von Zeit zu Zeit in ihren imaginären Vetter Shui Ta.

Der führt die Geschäfte wie ein fieser Ausbeuter Geschäfte führt, oder Hitler oder Stalin ein Land: Eiskalt, mit brutaler Härte, ein kraftvoller und rücksichtsloser Egoist. Ganz wie auch Brecht seine Frauen ausbeutet – am Stück arbeiten Ruth Berlau, Margarete Steffin und er seit 1930, und es ist auch bei der Uraufführung 1943 noch nicht abgeschlossen. Und ganz wie auch Brecht sich seinen Führer wünschte.

Alize Zandwijks entspannter Zugriff erlaubt Schocks

Den Bilderbogen des Stücks blättert Zandwijks Inszenierung mit schöner Ruhe in einer mit eher angedeuteten Aufbauten räumlich elegant gegliederten Bühne auf: Thomas Rupert hat einen an einen Riesenvogelbauer erinnernden Drahtkäfig als Shen Tes Kiosk entworfen, eine rot gesprenkelte vier Meter-Plane ist die Stadt und die Vision ihres Untergangs, später wird ein großer Holzrahmen eine Folie halten, hinter der, von Geyersbach inszeniert, im Stile eines balinesischen Schattenspiels die Ballade von den acht Elefanten aufgeführt wird.

Dieser entspannte Zugriff erlaubt Schocks – tatsächlich kann das ganze Publikum für ein Moment sich gemeint fühlen, als es darum geht, dass doch eine Stadt, in der es keine Guten mehr gibt, besser niedergebrannt würde. Vor allem aber ermöglicht er feine Nuancen im Spiel: Martin Baum etwa ist ein so beflissener und unterwürfiger Wasserverkäufer, wie ihn sich ein Gott nur wünschen kann. Und keiner könnte den überzeugender spielen, als Guido Gallmann.

Gallmann, der auch als widerlich-strahlender Barbier auf Stelzen und von Sabine Snijders in bemerkenswert orangenfarbene Hosen gehüllt ein Spektakel für sich ist, beeindruckt mehr noch in dieser eigentlich recht kleinen Rolle: Mal streng und nüchtern, mal jovial-sadistisch, mit Laune und Präzision aus der Rolle fallend – so gut hat man Gott in der Kirche jedenfalls noch nicht erlebt. Fast schon bedauert man, dass er und seine Arbeitskollegen Peter Fasching und Simon Zigah am Ende ratlos die Brocken hinschmeißen werden und sich der Welt entziehen.

Termine: 15.10., 19 Uhr und 23. 10., 18 Uhr, Theater Bremen

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