: Eine Brückezwischen Hörsaal und Fabrikhalle
VERZAHNUNG Kooperationsstellen an Hochschulen bringen Studierende und Betriebsräte, universitäre Forschung und Arbeitswelt zusammen
Klaus Pape, Leiter der Kooperationsstelle Hannover-Hildesheim
Hochschulen und Gewerkschaften – zwei Welten prallen aufeinander. „Das stimmt, Gewerkschaften sind für Studierende erst Mal weit weg. Durch unsere Arbeit versuchen wir eine Brücke zu schlagen“, sagt Klaus Pape. Der Soziologe ist Leiter der Kooperationsstelle Hochschule und Gewerkschaften in der Region Hannover-Hildesheim. Sie berät Studierende, organisiert Betriebsbesichtigungen, veranstaltet Tagungen. Gleichzeitig bringt sie Betriebsräte und Wissenschaftler zusammen, damit Forschungsergebnisse für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Unternehmen genutzt werden können.
Besonders die Exkursionen zu Arbeitgebern zum Beispiel aus der Automobilindustrie, in Verlage oder Krankenhäuser erfreuen sich großer Beliebtheit – bislang haben 3.000 Studierende daran teilgenommen. „Es sind auch immer Betriebsräte dabei, die über ihre Arbeit berichten, und von denen die Teilnehmer etwas über die tatsächliche Arbeitssituation erfahren können. Das kommt an“, berichtet Pape.
Bundesweit gibt es 18 Kooperationsstellen an deutschen Hochschulen. Die erste wurde 1971 in Bremen durch einen Vertrag zwischen der dortigen Arbeiterkammer und der Universität Bremen gegründet. Die zweite folgte 1974 in Oldenburg durch eine Vereinbarung der Universität Oldenburg mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund Niedersachsen und der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben. In Norddeutschland bestehen noch weitere Kooperationsstellen in Hamburg, Osnabrück, Göttingen und Braunschweig.
„Es gibt ganz unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte, was unter anderem mit den Besonderheiten der Hochschulen und der Struktur der Region zu tun hat“, sagt Pape. So gebe es in Braunschweig Seminare für angehende Ingenieure, in die auch Arbeitnehmervertreter eingeladen werden, um über die betriebliche Praxis zu informieren und zu diskutieren.
In Göttingen wurde kürzlich zusammen mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Studie zur Arbeitsbelastung von Lehrerinnen und Lehrern veröffentlicht. In der Osnabrücker Kooperationsstelle stehen soziale Fragen und die Entwicklung in Europa im Vordergrund. „Eine unserer Aufgaben ist es, Inhalte zu vermitteln, die in Lehrveranstaltungen sonst keine Rolle spielen“, erklärt Pape: „Gerade in den Wirtschaftswissenschaften kämen „kritische Positionen oft nicht zu Wort“.
Die Kooperationsstelle in Hannover hat einen Beirat aus Vertretern der Hochschulen und des DGB. „Die Gewerkschaften erhoffen sich Impulse aus der Wissenschaft für die Arbeit in den Betrieben“, sagt Klaus Pape. So treffen sich im „Netzwerk demografische Entwicklung und betriebliche Antworten“ seit 2008 Wissenschaftler, Personalverantwortliche und Vertreter der Beschäftigten aus Hannover und Umgebung, um verschiedene Modelle beim demografischen Wandel kennenzulernen und zu bewerten. Seit zwei Jahren besteht ein Arbeitskreis zur Digitalisierung in der Arbeitswelt, in dem Wissenschaftler mit Arbeitnehmervertretern über aktuelle Entwicklungen und die Konsequenzen für die Arbeitswelt sprechen.
Schließlich versuchen die Kooperationsstellen auch universitäre Mitarbeiter zu unterstützen. Die haben nach ihrem Studium für eine Promotion einen befristeten Arbeitsvertrag, mit großer Arbeitsbelastung, unsicheren Perspektiven, prekärer Bezahlung und in hoher Abhängigkeit zu dem sie betreuenden Professor.
In Hannover gehören rund 2.000 Personen dieser Gruppe an, meist zwischen Mitte 20 und Mitte 30. Die Kooperationsstelle hat kürzlich eine Veranstaltung organisiert, um sie über das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz und Veränderungen im niedersächsischen Hochschulgesetz zu informieren, die ihre Situation etwas verbessern. 60 Personen sind gekommen. „Das hat uns positiv überrascht, denn diese sehr heterogene Gruppe ist sonst nur schwer zu erreichen. Viele haben keine Ahnung über ihre Rechte und viele sind auch nicht in der Lage, sich darüber zu informieren. Dahinter steckt auch die Angst vor Konflikten, wenn man für seine Rechte eintritt.“
Pape weiß, dass die Aktivitäten von ihm und zwei weiteren Mitarbeitern nicht in allen Fachbereichen auf offene Ohren stoßen. So gebe es in manchen Fakultäten eine gewisse Distanz zu beobachten. Dennoch ist er überzeugt: „Die Hochschulen sind ganz froh, dass wir die Studierenden mit der Arbeitswelt zusammenbringen, denn viele Lehrende sehen es eben nicht als ihre Aufgabe an, über die Berufspraxis zu sprechen.“ Joachim Göres
In Braunschweig ist die Kooperationsstelle eine der Organisatoren des Filmfestes „Futurale“, das vom 13. bis zum 19. Oktober im Kino Universum Dokumentarfilme zur künftigen Arbeitswelt zeigt und die Zuschauer zur Diskussion einlädt. In Göttingen findet am 17./18. November die Tagung „Wissenschaft und Arbeit schaffen – Akademisierung im Mittelstand“ statt. In Hannover veranstaltet die Kooperationsstelle am 18. November ihre Jahrestagung zum Thema „Arbeit 4.0 – Arbeit in der digitalisierten Gesellschaft“. Näheres zu den Veranstaltungen und weitere Termine unter www.kooperation-hochschule-gewerkschaft.de
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