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Trillerpfeifen gegen Schweigen

Finnland Zehntausende Menschen demonstrieren in mehreren Städten des Landes gegen rechte Gewalt. Und fordern „Abpfeifen“. Die politische Führung gerät in Zugzwang

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Mit 140 Kilo Trillerpfeifen hatten sich die Veranstalter eingedeckt. Und die über 15.000, die am Samstagmittag in Helsinki dem Demonstrationsaufruf gefolgt waren, machten lautstark Gebrauch davon, um so das Motto dieser Stellungnahme gegen Neonazigewalt und Rassismus zu unterstreichen: „Peli Poikki!“ – Abpfeifen.

Die Kundgebung war eine Antwort auf eine Gewalttat vor zwei Wochen, als der 28-jährige Jimi Karttunen von einem Neonazi so schwer misshandelt wurde, dass er später an seinen Verletzungen starb. Mehrere RednerInnen warfen der Politik eine Mitschuld vor, weil sie nicht auf eine von zunehmendem Hass und Rassismus geprägte Atmosphäre reagiert habe. Die Soziologin Karin Creutz zog Parallelen zu den 1930er Jahren und dem Aufstieg des Faschismus. Der Rechtsextremismusforscher Mikael Brunila prangerte die Doppelmoral der Regierung an: Einerseits seien nun mehrere Minister unter den Demonstrationsteilnehmern, die aber andererseits nichts dabei fänden, mit einer rechtspopulistischen Partei zu koalieren, die teilweise mit Neonazis zusammenarbeite.

Ministerpräsident Juha Sipilä, der an einer der Kundgebungen teilnahm, die zeitgleich in mehreren Städten stattfanden, kündigte an, dass die Regierung am Montag über Verschärfungen des Vereins- und Veranstaltungsrechts und ein Verbot rassistischer Organisationen beraten werde. Der Ruf nach Polizei, Justiz und neuen Gesetzen allein reiche nicht, betonte dagegen Exstaatspräsidentin Tarja Halonen in Helsinki. Alle müssten gegen Diskriminierung und Hass im Alltag kämpfen.

„Vor einem Jahr standen wir schon einmal hier und haben gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit demonstriert“, erinnerte Ida Schaumann, migrationspolitische Sprecherin von Finnlands Schwedischer Volkspartei. Viele Politiker fürchteten aber offenbar, mit klaren Stellungnahmen gegen Ausländerfeindlichkeit Wähler zu verprellen.

„Man hat versäumt, klar zu machen, dass politische Gewalt inakzeptabel ist“

Leena Malkki, Politologin

„Ich glaube, dass die jetzige Gewalttat ein Wecksignal sein könnte“, meint Leena Malkki, Politologin an der Uni Helsinki. Sie hatte bereits vor Monaten davor gewarnt, dass das Schweigen von Politik und weiten Teilen der finnischen Gesellschaft zum Anwachsen krimineller Handlungen gegen Flüchtlinge und offenen Rassismus beigetragen habe, in dem zunehmende politische Gewalt gedeihen konnte: „Man hat versäumt, klar zu machen, dass jede Form politischer Gewalt absolut inakzeptabel ist.“ Es sei zu hoffen, dass die Politik nun den Mut zu der politischen Führung aufbringe, die sie bislang habe vermissen lassen.

Wie schwer das einer Regierung unter Beteiligung der Wahren Finnen fallen könnte, zeigte gleich die Reaktion auf einen Vorstoß von Petteri Orpo, Finanzminister und Vorsitzender der konservativen Regierungspartei. Dieser bekannte, die Demonstration in Helsinki sei die erste überhaupt gewesen, an der er teilgenommen habe – „aber ich finde, das Thema ist extrem wichtig“, sagte er. Er forderte, dass der rechtspopulistische Koalitionspartner sich nach rechtsaußen und gegenüber gewaltbereiten Neonazis klar und deutlich abgrenzen müsse. Und das nicht nur verbal.

Der Vorsitzende der Partei Wahre Finnen und Außenminister Timo Soini verbat sich brüsk solche „Ratschläge und Befehle“. Dies sei allein Sache seiner Partei, meinte Soini. Soinis Parteifreund, der Europaparlamentarier Jussi Halla-aho, bewertete die Demonstrationen als „Hysterie“. Man wolle damit nur davon ablenken, dass die „multikulturellen Träume“ und die „Politik der offenen Tür“ gescheitert sei.

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