: Feuer gegen die Gleichgültigkeit
Griechenland Bewohner haben Unterkünfte auf Lesbos selbst angezündet. Aus Protest gegen die katastrophale Überfüllung der Einrichtungen
„Das Feuer im Flüchtlingscamp Moria ist ein Weckruf“ sagt Roland Schönbauer, Sprecher der UNHCR in Griechenland. In der Nacht zu Dienstag sind im staatlich geführten Flüchtlingscamp auf der Insel Lesbos rund 50 Container und zahlreiche Zelte, in denen die Flüchtlinge und Migranten untergebracht waren, verbrannt. Über 3.000 Menschen flohen aus dem völlig überfüllten Lager vor den Flammen in Richtung der Inselhauptstadt Mytilini.
Noch ist nicht genau klar, wer das Feuer gelegt hat. Das Feuer sei nach einer Auseinandersetzung unter den Bewohnern gelegt worden, hieß es zuerst. Dann meldeten griechische Medien, das Feuer sei infolge einer Protestaktion seitens der Flüchtlinge entzündet worden. Am Dienstagmorgen meldet die Athener Tageszeitung Kathimerini, die Polizei auf Lesbos habe 18 Flüchtlinge und Migranten aus Syrien, Senegal, Kamerun und Afghanistan festgenommen, die im Verdacht stünden, für die Krawalle und die Brandstiftung verantwortlich zu sein.
Die Insel kann 3.500 Menschen aufnehmen, doch aktuell leben hier 5.708 Flüchtlinge und Migranten. „Die Kapazitäten reichen nicht aus, und die Bearbeitung der Asylverfahren dauert viel zu lange“, so UNHCR-Sprecher Schönbauer. Das habe immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt. Die UNHCR sei nun mit der griechischen Regierung im Gespräch, Flüchtlinge von den Inseln wieder aufs Festland umzuverteilen. Auch seien mehr Polizisten notwendig, um die angespannte Situation unter Kontrolle zu haben, so Schönberg. „Die Auseinandersetzungen in dem Camp lösen in der Bevölkerung ein Gefühl der Unsicherheit aus“, sagt der UNHCR-Sprecher. Das sei für niemanden förderlich.
UNHCR-Sprecher Roland Schönbauer
Insgesamt sind etwa 800 Männer, Frauen und Kinder unmittelbar von der Zerstörung durch das Feuer betroffen. Das UNHCR hat nun 100 Zelte aus Athen nach Lesbos losgeschickt, um Unterkünfte bereitzustellen. Außerdem wurden die etwa 100 allein reisenden minderjährigen Flüchtlinge und Migranten in das Flüchtlingscamp PikPa der NGO Lesbos Solidarity gebracht. Etwa weitere 100 Menschen – hauptsächlich Familien mit kleinen Kindern – kommen vorläufig im Camp Kara Tepe unter, das von der Gemeinde Lesbos betrieben wird. „Die Flüchtlinge, die hier bereits hausen, öffneten ihre Zelte für die vom Feuer Geschädigten“, so Stavros Miroyannis, der das Camp Kara Tepe leitet. Wie lange das gutgehen kann, sei jedoch fraglich. Die Kapazitäten seien auch hier längst erschöpft.
Seit Dienstag ist das UNHCR mit einem Team von verschiedenen Spezialisten vor Ort, um Flüchtlinge und Migranten psychologisch oder juristisch zu beraten. „Zahlreiche Menschen verloren ihr letztes Geld und wichtige Dokumente, die für das Asylverfahren nützlich sein können“, so Schönbauer. Auch unersetzbare Andenken an verstorbene Familienmitglieder und Freunde wurden von den Flammen vernichtet.
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