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Vorreiterrolle und Stachel im Fleisch

Regeln Konkurrenz belebt das Geschäft. Das ist selbst bei Schulen der Fall. Auch die Freien müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllen. Und dann geht es schließlich noch ums Geld

Vom Ende her betrachtet lernen wir fürs Leben Foto: Image Source/plainpicture

von Christine Berger

Kleinere Klassen, bessere Ausstattung, homogene Gruppen – es gibt viele Gründe, sich für eine private Schule zu entscheiden. Dass sich immer mehr Eltern nicht nur in Berlin immer häufiger mit dem Gedanken anfreunden, ihr Kind auf eine Privatschule zu schicken, hat auch mit dem Dienstleistungsprinzip derselben zu tun. „Die privaten Schulen müssen sich um ihr Klientel bemühen, das mögen Eltern und weist gleichzeitig auf das Defizit im deutschen Schulsystem hin“, erklärt Klaus Hurrelmann, Senior Professor of Public Health and Education an der Berliner Hertie School of Governance. Nach wie vor würden staatliche Schulen häufig eher wie Beschulungsinstanzen wahrgenommen, deren Besuch Pflicht sei, so der Bildungswissenschaftler. Knurrige Lehrer, altbackene Stundenpläne mit Frontalunterricht, ständiger Unterrichtsausfall sind Klischees, die zwar längst nicht mehr auf jede staatliche Schule zutreffen, doch mitunter noch Hand und Fuß haben. „Natürlich gibt es auch sehr gute staatlichen Schulen, und die haben dann auch starken Zulauf“, so Hurrelmann, der bis zu seiner Emeritierung 2009 an der Universität Bielefeld tätig war. Das Kind optimal zu fördern, werde privaten Schulen häufig jedoch eher zugetraut. Kritisiert an den Freien Schulen werde bisweilen, dass sie häufig nach religiösen oder kulturellen Kriterien selektieren und homogene Klassengemeinschaften fördern, was den Umgang mit sozial benachteiligten oder kulturell unterschiedlich geprägten Kindern hemme.

Die zunehmende Konkurrenz durch Schulen in freier Trägerschaft tue den staatlichen gut, so der Bildungsexperte. „Das führt dazu, dass sie sich mehr bemühen müssen.“ Längst haben daher auch staatliche Schulen reformpädagogische Ansätze verinnerlicht und bieten Projektarbeit, verzichten auf einen 45-Minuten-Takt pro Unterrichtsstunde oder stimmen die Kinder nach dem Wochenende erst mal mit einem gemeinsamen Frühstück auf die kommende Schulwoche ein.

Wer eine Schule gründen will, muss sich zunächst mit der Schulaufsichtsbehörde in Verbindung setzen. Dort wacht unter anderem Schulrätin Anja Teichert darüber, dass das eingereichte Konzept mit den gesetzlich vorgegebenen Bildungs- und Erziehungszielen in Einklang steht. „Die Gestaltung des Unterrichts in der Sekundarstufe I ist relativ frei“, so Teichert, deren Behörde Schulträger nicht nur kontrolliert, sondern vor allem auch berät. Freies Lernen etwa dürfe nicht dazu führen, dass Schüler machen, was sie wollen und einzelne Fächer vernachlässigt werden. „Die Lernentwicklung jeder Schülerin und jeden Schülers sollte immer dokumentiert werden“, das ließe sich rechtlich zwar nicht einfordern, doch spätestens beim Übergang in eine staatliche Schule oder bei allgemeinen Prüfungen würden sonst Defizite spürbar. „Die guten Schulen sind alle bestrebt, die Lernentwicklung zu dokumentieren“, so die 47-jährige Schulrätin. Schließlich stünden auch die privaten Träger in Konkurrenz zueinander. Wer Schüler verabschiedet, die keine guten Abschlüsse zustande bringen, verliert an Nachwuchs.

Lernen hat (k)einen Preis

Zwischen null und etwa 1.200 Euro pro Monat bewegt sich der Beitrag, den Eltern an Schulen in freier Trägerschaft berappen müssen. Bei den meisten Schulen sind die Beiträge einkommensabhängig gestaffelt, und häufig gibt es Stipendiumsprogramme. Gerade bei kirchlichen Trägern fällt das Schulgeld moderat aus, der Mindestsatz für das Schulgeld beträgt etwa bei den evangelischen Schulen monatlich 30 Euro bzw. monatlich 60 Euro für den gebundenen Ganztagsbetrieb. Der Höchstsatz schlägt mit monatlich 312 Euro bzw. für Schulen im gebundenen Ganztagsbetrieb monatlich 553 Euro zu Buche. Bei einem Großteil der interessierten Eltern ist Geld nicht das entscheidende Kriterium, ob eine konfessionell gebundene Schule besucht werden kann oder nicht.

Anders sieht es dagegen bei Schulen aus, die ein internationales Klientel ansprechen und keinen Träger im Rücken haben, der sie kofinanziert. Bei der Phorms-Schule im Wedding etwa kostet der Schulbesuch monatlich ab 435 Euro im Grundschulbereich und 585 bis 870 Euro in der Gymnasialstufe. Wer unter 50.000 Euro im Jahr verdient bekommt Rabatt. Was häufig nicht auf den ersten Blick ins Auge fällt, wenn man bei den Trägern die Kosten recherchiert: Hort, Kurse am Nachmittag und natürlich das Essen kosten extra. An manchen Schulen in freier Trägerschaft kommen da noch mal mindestens 300 Euro zusammen.

Stark im Trend bei den Gründungsanträgen sind bilinguale Schulen. Weil es in vielen Schulen zunehmend fremdsprachlichen Unterricht gibt, hat der Berliner Senat eine Verordnung erlassen, dass in der Sekundarstufe I die Hälfte des Sachfachunterrichts – alle Unterrichtsfächer außer Sprachen – auf Deutsch unterrichtet werden muss. Ausnahmen gibt es für Schüler, die sich erst bis zu zwei Jahre im deutschen Schulsystem aufhalten.

Mehr als 260 Millionen Euro bekommen die freien Träger allgemein- und berufsbildender Schulen jährlich vom Senat für ihre rund 47.000 Schüler. Der Großteil wird für Lehrpersonal verwendet. Raum- und weitere Kosten werden zumeist über Elternbeiträge gestemmt. Dass die Freien Schulen nicht genauso finanziert werden wie die staatlichen und daher Elternbeiträge nehmen müssen, wird unter den Trägern nicht nur kritisch gesehen. „Durch Budgethoheit gibt es auch mehr Freiheit“, weiß Andreas Wegener von der Arbeitsgemeinschaft Schulen in freier Trägerschaft. Denn wer zahlt, will in der Regel auch Einfluss nehmen. Und genau das wollen Freie Träger von Schulen nicht: dass der Staat ihnen mehr als nötig reinredet.

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