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Schwerverletzter bei UnfallGas-Volkswagen fliegt in die Luft

Aral empfiehlt die Schließung von Gas-Zapfsäulen nach der Explosion eines Erdgas-Touran. Einzelfall oder Konstruktionsmängel?

Der Tiger im Tank wollte raus: zerstörter Gas-Touran in Duderstadt Foto: dpa

Freiburg taz | Die Mineralölfirma Aral hat den Pächtern ihrer Tankstellen empfohlen, den Verkauf von Erdgas vorerst einzustellen. Hintergrund ist ein schwerer Zwischenfall an einer Aral-Tankstelle in Duderstadt im Kreis Göttingen. Dort explodierte am vergangenen Freitag der Gastank eines VW Touran EcoFuel während des Tankens. Der Fahrer wurde dabei schwer verletzt.

Die genaue Ursache des Unglücks ist noch ungeklärt, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Möglicherweise handelt es sich um einen technischen Defekt, der nicht nur dieses eine Fahrzeug betrifft: Volkswagen hatte bereits seit Wochen Hinweise auf Schwachstellen an einem Teil seiner Erdgasflotte.

Schon am 6. Juli rief das Unternehmen daher weltweit rund 5.900 Erdgasfahrzeuge des Typs Touran der Modelljahre 2006 bis 2009 in die Werkstätten, wo die vorderen Gasflaschen vorsorglich ausgetauscht werden sollten. 3.800 der Autos sind in Deutschland gemeldet.

Rückruf von gasbetriebenen VW-Caddy, Passat und Touran

Es bestehe die Gefahr, dass eine „durch äußere Einflüsse beschädigte Außenhaut nicht mehr den erforderlichen Korrosionsschutz“ biete, teilte der Hersteller damals mit. Wenn die Gasflaschenwand aber dünner wird, weil sie korrodiert, könne der Tank bersten. Ende August erweiterte das Unternehmen den Rückruf „vorsorglich“ auf die Modelle Caddy, Passat und Touran bis einschließlich Modelljahr 2010.

Noch ist unklar, ob das in Duderstadt explodierte Fahrzeug zu diesen zurückgerufenen Modellen gehört – und ob der Halter der Aufforderung des Herstellers nachgekommen war.

Der ADAC sieht keinen Grund,Erdgas in Misskredit zu bringen

Weil bis zur Klärung theoretisch auch noch ein Defekt an der Tankstelle infrage kommt, hat Aral sich für einen vorübergehenden Stopp des Erdgasverkaufs entschieden. Den Pächtern steht es allerdings frei, ob sie dieser Empfehlung nachkommen und den Treibstoff (auch CNG genannt, Compressed Natural Gas) aus dem Sortiment nehmen. Der Lobbyverband der Erdgaswirtschaft, die Zukunft Erdgas GmbH, ging am Mittwoch davon aus, „dass alle CNG-Tankstellen kurzfristig von den Mineralölunternehmen wieder freigegeben werden“.

Erdgasautos nicht anfälliger für Pannen als Benziner

Aus Sicht des Automobillobbyverbands ADAC ist das Unglück „höchstwahrscheinlich ein Einzelfall“. Es gebe daher keinen Grund, eine Technologie in Misskredit zu bringen, die sich bewährt habe, sagte eine Sprecherin. In den Pannenstatistiken des ADAC seien Erdgasfahrzeuge nicht überproportional vertreten. Auch die Deutsche Energie-Agentur kritisierte den Verkaufsstopp als überzogen.

Erdgasfahrzeuge werden immer wieder als umweltfreundliche Alternative zu Benzinern und Dieselfahrzeugen angepriesen, weil Erdgas sauberer verbrennt und weniger CO2 ausstößt. Trotz deutlicher Steuernachlässe setzte sich der Antrieb aber kaum durch. Anfang 2016 waren in Deutschland rund 98.000 Erdgasfahrzeuge zugelassen. Nach einem deutlichen Anstieg der Zahlen zwischen 2004 und 2010 wuchs der Bestand nur noch langsam und stagnierte schließlich. Im vergangenen Jahr ging die Zahl der zugelassenen Erdgasautos sogar erstmals um fast 2.000 zurück.

Deutlich größer ist die Zahl der Fahrzeuge, die Autogas tanken, ein Flüssiggas, das hauptsächlich aus Propan und Butan besteht. Dieses LPG (Liquefied Petroleum Gas) nutzen in Deutschland derzeit rund 475.000 Fahrzeuge. Auch die Zahl der Autogastankstellen in Deutschland übertrifft mit rund 7.000 jene der 900 Erdgastankstellen deutlich.

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1 Kommentar

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  • Einer von mehreren Druckgasbehältern des Autos ist geborsten/ geplatzt.

     

    Das ist bei ca 200 Bar Druck auch nicht von schlechten Eltern, aber doch etwas ganz anderes, als eine Explosion oder ein Dampfkesselzerknall.

    Allerdings dürfte es an ein Wunder grenzen, dass sich durch die mechanischen Zerstörungen bei dem Bersten des Druckgasbehälters nicht irgend ein Funke gebildet hat, der das sich audehnende Erdgas aus dem Behälter bzw das Erdgas-Luftgemisch gezündet und damit zur Explosion gebracht hätte.