: Geheimdienst reloaded
Verfassungsschutz-ReForm
Niedersachsens BürgerInnen stehen dem landeseigenen Inlandsgeheimdienst künftig weniger hilflos gegenüber: Mit Stimmen von SPD und Grünen hat der Landtag ein neues Verfassungsschutzgesetz verabschiedet. Danach müssen Menschen, die wegen angeblicher Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ins Visier des Geheimdienstes geraten sind, über ihre Bespitzelung informiert werden, wenn sich der Verdacht nicht erhärtet.
Auch die Überwachung von Wohnungen ist künftig nur der Polizei, nicht aber dem Verfassungsschutz gestattet. Verschärft werden auch die Regeln zum Einsatz sogenannter V-Leute: Diese in verfassungsfeindlichen Organisationen angeworbenen Spitzel dürfen anders als bisher nicht mehr schwere Straftaten begangen haben oder finanziell abhängig vom Inlandsgeheimdienst sein.
Vor dem Regierungswechsel hatten SPD und Grüne dem einstigen CDU-Landesinnenminister Uwe Schünemann vorgeworfen, den Verfassungsschutz politisch zu instrumentalisieren. Belegt ist die jahrelange Bespitzelung von mindestens sieben regierungskritischen Journalisten – darunter auch taz-Autorin Andrea Röpke, die über die Neonazi-Szene berichtet. Überwacht wurden aber auch tausende BürgerInnen, die etwa an Anti-Atom-Demonstrationen teilgenommen haben. Vor der Wahl hatten die Grünen deshalb die Auflösung des Landesgeheimdienstes gefordert.
Spätestens seit den Terroranschlägen von Brüssel, Würzburg und Ansbach aber gilt die Abschaffung des Verfassungsschutzes als politisch undenkbar: Die niedersächsische Opposition versucht aus den noch immer nicht schlüssig erklärten Absagen des Karnevalsumzugs in Braunschweig und des Fußball-Länderspiels in Hannover ein Versagen der Behörden zu konstruieren und hat deshalb einen Landtags-Untersuchungsausschuss eingesetzt.
Auch die Messerattacke einer 16-Jährigen auf einen Polizisten im hannoverschen Hauptbahnhof wäre durch bessere Überwachung zu verhindern gewesen, argumentieren CDU und FDP. Erst am Donnerstag sorgten Forderungen der CDU, jede Schülerin mit Niqab-Schleier beschatten zu lassen, im Landtag für heftige Proteste von SPD und Grünen. wyp
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