: Demokratie – aber welche?
Volksentscheide Das Hamburger Verfassungsgericht verhandelt über den Grenzbereich zwischen parlamentarischer und direkter Demokratie
Es gehe um nichts Geringeres als „das Verhältnis zwischen parlamentarischer und direkter Demokratie“, stellt der Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichts, Friedrich-Joachim Mehmel, klar. Und legt damit die Latte sehr hoch in dem Verfahren von Senat und Parlament gegen den Verein „Mehr Demokratie“ über dessen Volksinitiative „Rettet den Volksentscheid“. Der Senat bezweifelt, dass die Initiative verfassungsgemäß ist und hatte deshalb Hamburgs höchstes Gericht angerufen, die Bürgerschaft ist Beigeladene.
„Mehr Demokratie“ und ihre Mitstreiter fordern unter anderem, dass Verfassung und Wahlrecht sowie Gesetze zu Volksabstimmungsverfahren künftig nur mit Zustimmung des Volkes geändert werden dürfen. Außerdem sollen die notwendigen Mindestanforderungen an die Beteiligung (Quoren) gesenkt werden.
Dabei deutet sich an, dass das Verfassungsgericht zu einer komplizierten Lösung neigt: Die Volksinitiative könnte in Teilen verworfen, in anderen Teilen für zulässig erklärt werden. Weil die Vorlage mehrere Punkte enthält, könnte es sich um eine unzulässige Koppelung handeln: Der abstimmende Bürger kann nur alles bejahen oder verneinen.
Weil somit ein differenziertes Votum nicht möglich ist, „dürfen nicht zu viele verschiedene Dinge in einer Abstimmung vermengt werden“, sagt Mehmel.
Noch keine Tendenz äußerte das Gericht in einem anderen Punkt: Wird, wie Senat und Bürgerschaft befürchten, die Handlungsfähigkeit der Parlamentarier gefährdet, weil die Quoren bei Volksentscheiden zu stark abgesenkt werden? Im Extremfall, haben Experten errechnet, reichen nach dem Modell von „Mehr Demokratie“ 13,5 Prozent aller Wahlberechtigten, um Entscheidungen zu treffen.
Wie das Verfahren ausgeht, ist offen. Ein Urteil soll am 13. Oktober verkündet werden.
Sven-Michael Veit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen