heute in Bremen: „Zieh in den Cyberkrieg!“
Feature Journalist Tom Schimmeck über Hacker, Militärs und das „fünfte Schlachtfeld“ Cyberraum
57, lebt in Wedel bei Hamburg, ist freier Journalist und Autor preisgekrönter Radiostücke.
taz: Herr Schimmeck, Ihr Feature „Switch off Shanghai“ erinnert anfangs an den Roman „Blackout“, in dem ein Hackerangriff auf das Stromnetz zur Katastrophe führt. Steht uns so etwas bevor?
Tom Schimmeck:Jein. Nicht einfach so. Aber Cyberangriffe – zum Beispiel auf das Stromnetz – sind für Generäle in vielen Ländern längst eine strategische Option.
Der Einstieg klingt durch die Mitwirkung von Tagesschausprechern und Korrespondenten beängstigend realistisch.
Es ist zwar an Orson Welles’fiktive Radioreportage „Krieg der Welten“ von 1938 angelehnt: Da ging es um die Landung von Aliens, und das war damals so realistisch gemacht, dass Leute wirklich Angst bekamen. Es ist immer heikel, Fiktion und Fakten zu vermischen, aber ich will keine Panik machen. Und finde das Setting in meinem Feature eigentlich eher sanft.
Wird der nächste große Weltkrieg ein Cyberkrieg?
Nein. Erst mal glaube ich nicht daran, dass ein Weltkrieg kommt. Die Kriege unserer Zeit sind andere: Die „hybriden“, nicht erklärten Kriege, die so vor sich hinbrodeln, wie zum Beispiel der auf der Krim. Da ist Verwirrung ein Hauptkampfmittel. Fast alle Infrastruktur – Energie, Verkehr, Kommunikation, Finanzen – ist heute online. Per Cyberwar kann man sie angreifen und beliebig ausknipsen. Das ist längst Teil der Sandkastenspiele der Generäle.
Bei der Bundeswehr heißt das neuerdings: „Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt“…
…ja, die Bundeswehr baut jetzt ein Cyberkommando auf. Das soll zum einen die eigenen Netze schützen, aber es wird auch operativ ausgebaut, um selbst digitalen Unfug anrichten zu können. Die Amerikaner, Israelis, Russen und Chinesen machen das schon sehr viel länger, die Deutschen ziehen jetzt nach.
Was unternimmt die Nato?
Die hat den Cyberraum gerade ganz offiziell als „fünftes Schlachtfeld“ definiert, neben den klassischen: Boden, Luft, Meer und Weltraum. Ich fahre regelmäßig zu den Cyberwar-Konferenzen der Nato in Estland. Da diskutieren Experten, Wissenschaftler und Militärs recht offen. Das ist jedes Mal spannend – und zugleich unheimlich.
Und die Hackerszene?
Auf der weltgrößten Hackermesse, der Def Con in Las Vegas, machen sie immer noch auf Anarcho und laufen in ihren schwarzen Klamotten rum. Und mittendrin stehen die Anwerber der Army, der NSA und diverser Unternehmen, um diese Hacker als Fachkräfte zu locken. Es ist offenbar unheimlich schwer, gute Leute zu finden.
Die Def Con als Jobmesse?
Klar! Das ist wirklich eine Karriereoption: Wenn du was von Computern verstehst und richtig Geld verdienen willst, zieh in den Cyberkrieg!
Interview: Karolina Meyer-Schilf
20 Uhr, Hörkino im SWB-Kundencenter
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