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Ein Volksfest für Öcalan

Kundgebung Zehntausende PKK-Anhänger demonstrierten am Samstag in Köln friedlich gegen Erdoğans Kurdenpolitik

von Christian Werthschulte

KÖLN taz | Das größte Sicherheitsrisiko war ein Rucksack mit Kleidung. Er lag auf der Deutzer Brücke in Köln, die die Polizei deshalb am Samstagnachmittag für eine Stunde gesperrt hat. Der Kampfmittelräumdienst rückt an und fährt unverrichteter Dinge wieder ab. 500 Meter entfernt geht das 24. Kulturfest des kurdischen, PKK-nahen Dachvereins NAV-DEM unberührt seinen Gang.

Rund 30.000 Kurden feiern hier, dazwischen verkaufen ein paar biodeutsche Kurdistan-Aktivisten ihre Broschüren. An den Bücherständen findet man Dostojewski und Nietzsche auf Kurdisch. Der Mainzer FDP-Politiker Tobias Huch macht Selfies mit jungen Frauen. Auf der Bühne hängt ein Bild des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. „Wir sind für die Aufhebung des PKK-Verbots“, erklärt Linke-Vorsitzender Bernd Riexinger bei seiner Rede auf der Kundgebung. Öcalan dürfe nicht länger im Gefängnis schmoren, sondern solle für Verhandlungen eingesetzt werden. Immer wieder hallt „Biji serok Apo“ – „Es lebe der Führer Apo“ – über den Platz am Rheinufer.

Ursprünglich hätte das Fest im Rheinenergiestadion stattfinden sollen. Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte der städtischen Betreibergesellschaft jedoch geraten, die Veranstaltung abzusagen. Das Sicherheitsrisiko sei zu groß. Nach dem versuchten Militärputsch Mitte Juli kam es zu kleinen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und linken kurdischen Gruppen. „Die Angst ist größer geworden“, sagt Hamide Akbayir, die für die Linkspartei im Kölner Stadtrat sitzt. „Als Kurdin ist es nicht mehr so leicht für mich, in die Keupstraße zu gehen.“ Die Geschäfte und Restaurants dort sind das Zentrum der türkisch- und kurdischstämmigen Community in Köln.

Trotz dieser Sorgen ist die Stimmung ausgelassen. Vor fünf Wochen demonstrierten hier AKP-Anhänger. Heute wird Xelef getanzt. Sozan und ihre Freundin Rüken aus Wuppertal üben ein paar Tanzschritte. „Es ist traurig, dass das Fest verlegt wurde“, sagt Sozan, bevor sich die beiden dem nächsten Tanzzirkel anschließen.

Mehmet Ata aus Stuttgart zeigt weniger Feierlaune. Ursprünglich wollte er mit seiner siebenköpfigen Familie das Fest besuchen, jetzt sind sie nur zu viert nach Köln gefahren. Er lebt seit 1994 in Deutschland, inzwischen ist er eingebürgert. „Mittlerweile schlafe ich nachts nicht mehr gut“, sagt er und erzählt von der türkischen Stadt Nusaybin, wo sein Vater und sein Onkel leben. Das Haus seines Onkels ist bei einem Bombenangriff der türkischen Armee zerstört worden. In Deutschland setzt er keine Hoffnung. „Merkel und Steinmeier sagen nichts“, meint er. „Meine deutschen Kollegen wissen zwar, was in den kurdischen Gebieten passiert, aber es interessiert sie nicht.“

Die Stimmung ist ausgelassen, trotz der vielen Sorgen

Evin aus Münster trägt einen Overall, der der Uniform der kurdischen Guerilla YPG nachempfunden ist, aber Evin hat ihn bei H&M gekauft. „Erdoğan will die Kurden auslöschen“, sagt sie und holt ihre Freundin Şilan dazu, die gerade ihre Verwandten in Nusaybin besucht hat. „Zwei Drittel der Häuser dort sind zerstört“, sagt Şilan und erzählt von ihrer Tante, die von einer Mine getötet wurde, als sie Habseligkeiten aus ihrer zerstörten Wohnung holen wollte. Entmutigt hat die beiden das nicht. In ihrer Heimat Münster organisieren sie regelmäßig Demonstrationen, zu denen auch Deutsche kämen. „Nur die syrischen Kurden kommen dort nicht hin“, sagt Evin.

Um 16.30 Uhr tritt Selahattin Demirtaş von der linkskurdischen Partei HDP ans Mikrofon. Es bricht ein Jubelsturm los, bevor er nur ein Wort gesprochen hat. „Die Geschichte werden die schreiben, die Widerstand leisten“, sagt er, und bedankt sich bei den YPG-Kämpfern für ihren Einsatz gegen die „Barbaren“ des IS. Die AKP-Regierung beweise mit ihrer Offensive in Syrien dagegen, dass sie den IS unterstütze. Schließlich hat er noch eine Botschaft an die deutschen Politiker: „Der Kampf der Kurden gegen den IS ist ein Kampf für die Sicherheit des deutschen Volkes.“

Der Nachmittag endet, wie er begonnen hat – mit Tänzen in der Kölner Sonne.

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