meinland Wem gehört die Insel Rügen? Die taz lud zur Diskussion ein: Ärger im Paradies
von David Joram
Mecklenburg-Vorpommern steht diesen Sonntag vor einer richtungsweisenden Wahl. Von rechts machen AfD und NPD Druck, auch auf der Ostseeinsel Rügen. Die Sandstrände sind dort besonders fein, saftige Wiesen und dichte Wälder vervollständigen das Bild vom Paradies.
Aber es gibt eben auch große Sorgen, politische, vielmehr aber strukturelle. Die taz wollte genau wissen, was die Rüganer umtreibt – und machte im Rahmen von „taz.meinland – taz on tour für die offene Gesellschaft“ deshalb zuerst in Sassnitz Station. Vorab: Es hätte wohl keinen besseren Standort zum Tourstart geben können!
Viel Harmonie war hier, im Kulturzentrum Sassnitz’, dem charmanten Grundtvighaus, gegeben, um über ein Thema zu diskutieren, das auf der Insel für einige Kontroversen sorgt: Prora, das ehemalige KdF-Bad der Nazis. Seit wenigen Jahren bauen Investoren dort im großen Stil um. Diverse Projekte stoßen auf wenig Gegenliebe bei den Rüganern, die fürchten, dass ihre Insel nachhaltig, aber ohne Nachhaltigkeit verändert werde, während strukturellen Verbesserungen, etwa nachhaltigen Industriezweigen oder dem ÖPNV, indes wenig Bedeutung beigemessen wird.
Kerstin Kassner, MdB (Die Linke)
Die taz-Redakteure Julia Boek und Jan Feddersen baten deshalb zum runden Tisch ins Grundtvighaus. Sie wollten wissen, wohin sich Rügen entwickelt, wie es in 15 Jahren hier aussieht und – natürlich – was denn nun Stand der Dinge in Sachen Prora ist. Block V, der letzte über den der Landkreis noch entscheiden kann, soll schließlich ebenfalls an Investoren verkauft werden.
Wie sich gleich zu Beginn der Veranstaltung herausstellte, bewegen diese Fragen viele auf der Insel, über 85 Zuhörer*innen, wollten den Austausch verfolgen und auch mitdiskutieren. Den runden Tisch besetzten gleich 15 Diskutierende, darunter auch Investoren und Bauplaner.
Welch Glück die Rüganer mit ihrer Insel hätten, zeigte anfangs der Schriftsteller, Theologe und CDU-Politiker Frieder Jelen auf: „Die Insel hat eine Seele, die sich von der See nährt, sie hat Charakter und Werte, durch die Natur und die Menschen, die hier arbeiten. Aber die Schönheit kann verloren gehen“, warnte Jelen angesichts immer vollerer Straßen.
Kerstin Kassner, Linke-Vorsitzende des Kreisverbands und Bundestagsabgeordnete, argumentierte ähnlich: „Durch den Bauboom lastet ein enormer Druck auf Rügen. Dem müssen wir uns entgegenstellen, damit die Insel Heimat bleibt.“
Der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider widersprach: „Ich glaube, dass sich die Insel in den nächsten 15 Jahren verändern wird. Es würde Stillstand herrschen, wenn sie das nicht täte.“ Die historische Bedeutung Proras betonte unterdessen Susanna Misgajski, Leiterin des dortigen NS-Dokumentationszentrums:
„Wir machen uns Sorgen, dass wir nicht unterkommen, wenn Block V an private Investoren verkauft wird.“ Darüber, dass diese ungemein wichtig ist, waren sich alle einig. Ob eine Lösung gefunden wird, die allen Wünschen gerecht wird, steht nicht fest.
Doch nach dem runden Tisch sind die Gespräche zwischen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trägern aber wieder neu angelaufen. Ein Erfolg und ein guter Start für die taz on tour.
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