: Nicht nur Reiche-Leute-Kinder
STUDIUM Seit 2000 hat sich die Zahl der Hochschüler in privaten Bildungs-Institutionen mehr als vervierfacht. Zum Teil füllen diese Lücken im Bildungsangebot, teils sind sieGeschäftsidee
von Niels Holsten
Studierende an privaten Hochschulen sind karrierebewusste, aufs Geldverdienen getrimmte Kinder reicher Eltern, die aufgrund ihres schlechten Notendurchschnitts woanders keinen Studienplatz bekommen hätten.
So ungefähr könnte eine Anreihung von Vorurteilen lauten, mit denen sich Studierende an privaten Hochschulen konfrontiert sehen.
Und ein wenig hatte auch Laura Schmidt Sorge, dass sie nicht ganz hineinpasst in diese elitäre Bucerius Law School in Hamburg: „Ich dachte schon, ich entspreche nicht dem typischen Bild“, blickt sie zurück auf die Zeit ihrer Bewerbung.
Nach ihrem Abitur 2009 in Brandenburg, aufgewachsen in einem akademischen, aber nicht wohlhabenden Elternhaus, bewarb sie sich schließlich trotz aller Bedenken für ein privates Studium der Rechtswissenschaften. Sie wurde angenommen und war „überrascht, dass wir so eine bunte Mischung sind“.
Die heute 26-Jährige, die aus finanziellen Gründen vor ihrem Studium nie länger im Ausland war, lockte auch das an der Law School obligatorische Auslandssemester. Aber vor allem „war mir wichtig, dass ich während des Studiums gut betreut werde“.
Von einer guten Betreuung versprach sie sich auch gute Ergebnisse.
Und da konnten die staatlichen Universitäten nicht mithalten. Nach eigenen Angaben kommt an der Bucerius Law School auf 25 Studierende ein Professor.
Die Abbrecherquote an privaten Hochschulen ist laut einer Studie des Wissenschaftsrats aus dem Jahr 2012 mit acht Prozent vergleichsweise gering. An staatlichen Hochschulen bringen dagegen 21 Prozent ihr Studium nicht zu Ende, so die vom Wissenschaftsrat angeführte, etwas ältere Vergleichszahl auf Basis des Absolventenjahrgangs 2006.
„Man muss schon Lust auf viel haben“, sagt Laura Schmidt und meint damit die Lust, viel in der Hochschule, auf dem Campus zu sein. Lust zu haben, viel zu kommunizieren – mit den Professoren, mit den Kommilitonen. „Zurückgezogenheit haut hier nicht hin“, sagt sie.
Dafür könne sie auf die „großartigen Kontakte“ der Hochschule zurückgreifen, wenn es zum Beispiel um die Suche nach einem Praktikumsplatz geht. Dass die spätere Arbeitsplatzsuche durch dieses elitäre Studium zum Selbstgänger wird, glaubt sie dennoch nicht: „Es hängt viel von der Note des zweiten Staatsexamens ab“, bedauert sie.
Mit ihrer Wahl, an einer privaten Hochschule zu studieren, folgt Laura Schmidt einem Trend: Seit 2000 hat sich die Zahl der Studierenden in diesem Bereich von 47.000 auf 185.000 erhöht, und damit mehr als vervierfacht. Das macht einen Anstieg von 2,8 Prozent auf 7,5 Prozent aller Studierenden aus und ist damit überproportional. Aktuell studieren in etwa 2,5 Millionen Menschen in Deutschland.
Dieser Anstieg liegt laut statistischem Bundesamt zum einen an den allgemein steigenden Studierendenzahlen, aber auch an der in der Vergangenheit vorhandenen Unterfinanzierung der staatlichen Hochschulen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit geschaffen, sich als private Bildungseinrichtungen vom zuständigen Landesministerium als Hochschule anerkennen zu lassen und sich so den staatlichen Hochschulen gleichzustellen. Und im Zuge der Liberalisierung und Globalisierung habe sich der deutsche Bildungsmarkt auch ausländischen Investoren geöffnet, die in den Markt investierten.
Die Motivation eine Hochschule zu gründen, kann da ganz unterschiedlich ausfallen.
Wenn zum Beispiel die Handelskammer Hamburg 2004 mit der Hamburg School of Business Administration eine „Hochschule der Hamburger Wirtschaft“ gründet und auch gar nicht verhehlt, dass die Kooperationsunternehmen an der „Konzeption und Weiterentwicklung unserer Studiengänge aktiv beteiligt“ sind, könnte eine gewisse Unzufriedenheit mit bestehenden Studienangeboten vermutet werden.
Folge der Akademisierung
Die Motivation kann aber auch schlicht ein Geschäftsmodell in einem wachsenden Markt sein. Dabei lohnt ein Blick auf die Gesellschaftsform der Hochschule. Firmiert sie als GmbH, könnte Letzteres zutreffend sein.
Aber die privaten haben sich auch auf Felder gestürzt, die staatliche Hochschulen bisher nur unzureichend oder gar nicht ausgefüllt hatten. So bieten sie vermehrt berufsbegleitende Studiengänge an oder akademisieren bisherige Ausbildungsberufe wie die 2010 gegründete Medical School Hamburg, wo man unter anderem einen Bachelorabschluss in Advanced Nursing oder Ergotherapie erwerben kann.
So unterschiedlich die Motivation der Studierenden ist, selbst finanzieren müssen sich alle. Und das vor allem aus Studiengebühren, wenn sie nicht gerade von einer großen Institution oder Stiftung getragen werden.
Die Bucerius Law School, 2000 gegründet von der ZEIT-Stiftung, will laut ihrem Leitbild „die deutsche Juristenausbildung nachhaltig erneuern und zur Präsenz der deutschen Rechtswissenschaft im internationalen Diskurs beitragen“.
Um daran teilhaben zu können, müssen die Studierenden 4.000 Euro pro Trimester aufbringen.
„Das Finanzielle hat mich anfangs schon gehemmt“, sagt Laura Schmidt, die mittlerweile ihren Bachelor und das erste Staatsexamen gemacht hat. Einen Kredit hätte sie nicht aufgenommen. „Der umgekehrte Generationenvertrag aber war überzeugend“, sagt die jetzige Promotionsstudentin.
Durch diesen Vertrag fallen während des Studiums keine Gebühren an. Die Studierende verpflichtet sich aber, nach dem Studium ab einem Bruttoeinkommen von mehr als 30.000 Euro zehn Jahre lang neun Prozent ihres Einkommens in einen stiftungseigenen Fond einzuzahlen – bis zu einem Maximum des Doppelten der eigentlichen Studiengebühren.
Den Vertrag eingehen kann jeder, der eine Bedürftigkeit nachweisen kann. 33 Prozent der Studierenden nutzen diese Möglichkeit der Studienfinanzierung. „Und wenn ich mich später entscheide, ehrenamtlich für eine NGO zu arbeiten, zahle ich gar nichts“, freut sich Laura Schmidt.
Und wo sind sie nun, die Kinder reicher Eltern?
Fast die Hälfte der Studierenden an der Bucerius Law School bezahlen ihre Studiengebühren sofort.
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