: Lukrative Ahnungslosigkeit
Thüringen Exwirtschaftsminister Matthias Machnig soll zu viel gezahlte Amtsbezüge zurückbezahlen, er klagt dagegen. Der Prozess darum trägt kabarettistische Züge
Aus Weimar Michael Bartsch
Mit dem Bonmot „Sie setzen zu viel Vertrauen in das Funktionieren öffentlicher Verwaltung“ sorgte der Vorsitzende Richter Thomas Lenhart für Heiterkeit im Saal. „Wenn alles richtig funktionieren würde“, wären wir arbeitslos“, setzte er noch eins drauf.
Am Verwaltungsgericht Weimar stand am Dienstag die Gehaltsaffäre um den ehemaligen Thüringer Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) zur mündlichen Verhandlung. Der hatte 2014 gegen Rückforderungen des Landes Thüringen in Höhe von 150.000 Euro geklagt. Machnig erhielt sowohl sein Ministergehalt als auch Versorgungsbezüge als ehemaliger Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Nach dem Thüringer Ministergesetz müssen Letztere mit den Landesbezügen verrechnet werden.
Die Geschichte erreichte die Medien im September 2013. Der umtriebige Machnig war damals Mitglied im Kompetenzteam des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Der Vorwurf, Doppelbezüge verschwiegen zu haben, belastete auch die Schlussphase der Thüringer CDU/SPD-Koalition unter Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und führte schließlich zu Machnigs Rücktritt.
Rund 100.000 Euro zu viel soll er in seinen vier Amtsjahren kassiert haben. Die mündliche Verhandlung am Weimarer Verwaltungsgericht geriet zu einer Lehrstunde über Behördenabläufe und die Mentalität von Spitzenpolitikern. Ein Urteil wird erst in den kommenden beiden Wochen schriftlich ergehen. Aber die fünfköpfige Kammer ließ ihre Auffassung bereits durchblicken. „Im Grunde gab es auf allen Seiten Unachtsamkeit“, konstatierte der Vorsitzende nach Aufzählung der Fakten. So gab die Bundesfinanzdirektion im Jahr 2010 ihren Thüringer Kollegen zunächst die Auskunft, Machnigs Versorgungsbezüge würden ausgesetzt. Ein Jahr später widerrief das Bundesfinanzministerium diese Entscheidung. Machnig selbst fragte beim Aufkommen der Vorwürfe im September 2013 bei der Landesfinanzdirektion an. „Alles richtig berechnet“, lautete die Kernaussage, die das Gericht nun als falsch bewertete.
Matthias Machnig, inzwischen Staatssekretär in Gabriels Bundeswirtschaftsministerium, vertrat neben seinem Anwalt Christian-Dietrich Bracher vehement auch persönlich seine Sicht. „Ich hatte keinen Zweifel, dass das alles mit den Landesbehörden abgeglichen war“, betonte er. „Soll ich künftig auch meinen Steuerbescheid selbst überprüfen?“
Die Zweifel des Gerichts, dass er von einer Überzahlung nichts gewusst habe, konnte er damit aber nicht ausräumen. Richter Lenhart sah aber auch „eine unstrittige Mitverantwortung auf Seiten des Landes“. „So ahnungslos darf man nicht sein“, adressierte er an die drei Thüringer Regierungsvertreter. Sie bestanden auf der geforderten Rückzahlung.
Einen Vergleichsvorschlag unterbreitete am Ende keine Seite. Machnig selbst fuhr unzufrieden nach Berlin zurück. Juristisch ist ihm nichts vorzuwerfen, die Staatsanwaltschaft Erfurt hatte 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingestellt. Nicht ausgeräumt bleibt die moralische Kritik, er hätte 2009 auf die Ruhestandsbezüge verzichten können, weil er sofort nach Thüringen ins Ministeramt wechselte.
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