: Streik der Freiwilligen
Helfer Ohne sie könnten die Wettkämpfe nicht stattfinden: die Volunteers. Doch immer mehr klagen über die Arbeitsbedingungen und schlechte Stimmung. Das IOC wiegelt ab
Aus Rio Andreas Behn
Sie sind überall auf dem olympischem Gelände zu sehen: die Voluntários. Sie weisen den Weg, wo Wegweiser fehlen, finden die kompliziert nummerierten Sitzplätze in den Stadien und unterstützen Sportler und Delegationen.
Meist sind die Freiwilligen an ihren orange-gelb-grünen T-Shirts zu erkennen. Einige sind wirklich nicht zu beneiden. Am Eingang des Olympia-Parks steht ein ganzer Pulk von ihnen schwitzend in praller Sonne, um die Besucher lautstark und immer fröhlich zu begrüßen. Am wenigsten sind die zu beneiden, die in U-Bahn-Stationen oder den neuen Bushaltestellen dem endlosen Strom der Fans ausgesetzt sind. Manchmal werden sie richtig angeraunzt, wenn sie nicht schnell genug auf alle Fragen der herumirrenden Passagiere Antwort geben.
Über 50.000 Freiwillige sind laut Organisatoren im Einsatz, darunter 10.000 Ausländer aus 156 Ländern. Ursprünglich sollten es 70.000 sein, aber aus Geldmangel wurde das Programm gestutzt. Schon bald könnten es noch viel weniger sein, denn es bahnt sich eine Art Streikbewegung an. Die Volunteers sind zwar nicht organisiert, aber sie arbeiten, wohnen und leiden gemeinsam. Und ihr Murren wird immer lauter.
„Eigentlich ist es eine Frechheit: Sie erwarten, dass ich über neun Stunden am Tag arbeite, für lau und nur mit einem kleinen Mittagslunch. Und je nach Laune schnauzen dich die Vorgesetzten sogar an“, sagt Bernardo.
Der Lehrer ist auf eigene Kosten aus Porto Alegre nach Rio gereist und freute sich riesig darauf, olympische Luft zu schnuppern. Jetzt steht er jeden Tag auf dem olympischen Boulevard und kommt sich vor wie ein Touristenführer, der seinen Job nicht gelernt hat. „An allen Ecken und Enden wird gespart, für unseren Einsatz bekommen wir kaum etwas zurück.“
Inzwischen werde die Stimmung immer schlechter. Viele sagen, sie wollten alles hinschmeißen, erzählt Bernardo. Nicht auszuschließen, dass immer mehr Freiwillige ihre Sachen packen und die Spiele, die Besucher und ihre bezahlten Kollegen im Stich lassen werden. Die Organisatoren wiegeln ab. Von Anfang an seien knapp 30 Prozent der Angemeldeten nicht erschienen oder hätten nur die Uniformen abgeholt. Dieser Ausfall sei eingeplant gewesen, von einer Abwanderungsbewegung sei nichts zu spüren.
Bernardo, Volunteer
Die Klagen der Voluntários tauchen aber immer häufiger auch in der Presse auf. Eine Portugiesin sollte im Maracanã technische Hilfe leisten und saß mangels Einweisung all die Zeit nur untätig herum. „Es war ein Albtraum, und jetzt weigern sie sich sogar, mir das Zertifikat für meinen Einsatz auszustellen.“ Andere haben eher zu viel zu tun: „Ich werde wie eine Angestellte behandelt“, beschwert sich eine Brasilianerin, die unter Stress den Fahrdienst für Delegierte organisiert und dafür extra unbezahlten Urlaub genommen hat.
Viele sagen, sie würden anders als geplant nicht mehr bei den Paralympics zur Verfügung stehen. Sollte dies eintreten, hätte das Organisationskomitee ein echtes Problem, denn ohne die Freiwilligen wird ein Chaos befürchtet. Schon jetzt wird die schlechte Stimmung unter den Volunteers oft auf die organisatorischen Mängel zurückgeführt. „Wenn die Leute zu lange in Schlangen stehen oder den Weg ins Stadion nicht finden, werden sie ruppig. Das kriegen dann wir Freiwilligen ab und verdirbt auch uns die Laune“, sagt Bernardo.
Doch nicht alles ist Arbeit und Stress. Während einige den Aufstand planen und Olympia den Rücken kehren wollen, genießen andere die ausgelassene Klassenfahrtatmosphäre unter den Freiwilligen. Tagsüber Dienst nach Vorschrift, danach Stadtleben und Party. Per WhatsAppp wird das Sozialleben organisiert, der beliebteste Treffpunkt ist das alte Bohemeviertel Lapa.
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