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Diskussion um ZuckersteuerEine Frage der Menschlichkeit

Uli Hannemann
Kommentar von Uli Hannemann

Achtung: Limonaden enthalten viel Zucker! Also süße Brausen abschaffen? Schlechte Idee – die Folgen wären verheerend.

Willy Brandt trinkt eine böse, böse Cola (1972) Foto: picture alliance / dpa

G emäß einer Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch sind viele Getränke viel zu süß. Und viel zu viele Deutsche trinken viel zu viele dieser viel zu süßen Getränke. Was wir, auch wenn die statistischen Details variieren, im Grunde schon seit Jahren wissen, führt in der Sauregurkenzeit auf einmal zu absurder Aufregung.

Laut Bild hält beispielsweise Dietrich Monstadt „eine Zucker­abgabe für sehr sinnvoll und notwendig“. Nun will man also uns gesunden Schleckermäulchen eine der letzten Freuden nehmen. Wer hat bloß diesen Bock zum Gärtner gemacht?

Ein Grundübel des kapitalistischen Systems liegt darin, dass solche Maßnahmen zu großen Ungerechtigkeiten führen. Schließlich träfe die Zucker­abgabe doch wieder nur die Ärmsten der Armen: Während der Reiche sich den Whirlpool bis zur Kante mit klebriger Limonade füllt, um wie Dagobert Duck darin herumzuplanschen, guckt der Minderbemittelte einmal mehr in die Röhre.

Wer sich Callgirls und Bestechungsgelder leisten kann, für den wird auch süße Limo problemlos verfügbar bleiben. In Zukunft wird das Weiße in den Kachelfugen der Bundestagstoiletten nicht mehr Kokain, sondern der mit der Platinum Card zerstoßene Würfelzucker sein.

Verbote, Verbote, Verbote!

Hier erkennen wir ein fatales Muster. Der Konsum ungesunder und/oder unökologischer Genussmittel wird nicht etwa durch breite gesellschaftliche Aufklärung geächtet, sondern durch Verteuerung zum exklusiven Gut einer materiellen Elite gemacht: durch Verbote künstlich verknappte Drogen, besteuerte Alkoholika und Zigaretten, gesundes Fleisch aus nachhaltiger Zucht.

Und bald also auch noch der Zucker. Der Kapitalismus straft die Unterprivilegierten ab, wofür auch immer: dass sie in der Schule nicht aufgepasst, die ­falschen Eltern oder schlicht weniger Glück haben als andere Kinder. Kein vernünftiger Job, kein gutes Steak, nur Speed statt Koks, Sternburg statt Edelstoff, und jetzt will man dem Plebs auch noch die Fanta nehmen?

Der Schmuggel von unversteuertem Zucker, das ­Experimentieren mit lebensgefährlichen Ersatzstoffen aus Wandfarbe, Honig und Popel werden die staatliche ­Ordnung erschüttern

Damit könnte allerdings der Punkt überschritten sein, bis zu dem die Leute alles mit sich machen ließen. Es wird einen Aufschrei geben aus Millionen gequälter Kehlen. Die Massen der Benachteiligten werden sich erheben – zu einem Aufruhr, der als „Limonadenrevolution“ oder „Zuckeraufstand“ in die Geschichte eingehen wird. Daneben werden weitere fatale Entwicklungen, wie sie für eine De-facto-Prohibition typisch sind, ihren verhängnisvollen Lauf nehmen.

Ach, es gibt ja noch Alkohol

Deutschland wird sich mit einer von den unsympathischen Petzen von Foodwatch losgetretenen Kriminalitätslawine von nicht für möglich gehaltener Dimension konfrontiert sehen. Der Schmuggel von unversteuertem Zucker, die Zuckerpanscherei, das Experimentieren mit lebensgefährlichen Ersatzstoffen aus Wandfarbe, Honig und Popel und die mit all diesen Phänomenen verbundenen Machtkämpfe verfeindeter Zuckergangs, werden die staatliche Ordnung in den Grundfesten erschüttern.

Doch bis es so weit ist, dürfte verstärkt auf zuckerärmere Alkoholika wie Bier und Wein zurückgegriffen werden – der letzte Ausweg, sofern man nicht wie ein Vieh Leitungswasser saufen möchte. Die Bereitstellung zuckriger Limonaden verhindert folglich die Trunksucht. Da die Getränkewahl neben der Fähigkeit zum Gebet und der Herstellung von Sexspielzeug eine der letzten Bastionen ist, die den Menschen vom Tier unterscheidet, ist dies wirklich eine Frage der Menschlichkeit.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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15 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Das sind doch halbherzige Ansätze. Ganzheitlich müsste es sein. Alles was nicht biologisch dynamisch vegan, gluten- und laktosefrei ist, muss unbezahlbar teuer werden. Ebenso Kleidung aus Entwicklungsländern, alles aus Kunststoff, Autos, Gas, Kohle, nichtgrüner Strom, ...

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Man kann den Kapitalismus ja hassen aber man kann ihm auch nicht jeden Mist in die Schuhe schieben.

    Eine autoritäre Verbotspolitik, wie man sie zum Beispiel bei den Grünen findet, hat mit Kapitalismus genau nichts zu tun. Solche Vorstöße sind der Auswuchs linker Staatsgläubigkeit.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Aber ohne Kapitalismus würden uns sicher nicht diese irrsinnigen Megatonnen an Zucker in den Hintern geblasen!

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @Peter Meier:

        Der Kapitalismus macht diese Güter vefügbarer. Das stimmt. Aber es ist ja eben auch niemand gezwungen sich dieses Zeug zu kaufen.

  • Die Folge wären noch mehr künstliche Süßstoffe, die ja schon jetzt nicht nur Getränke, sondern alle möglichen Lebensmittel verseuchen.

    Ob das nun so wünschenswert (und gesund!) ist, bezweifle ich mal.

  • Die Argumentation dieses Kommentars trifft dann aber auch auf bereits bestehende Verbrauchsteuer zu, wie z.B. der Energiesteuer, Stromsteuer, Tabaksteuer, Kaffeesteuer, Biersteuer, Branntweinsteuer, Schaumweinsteuer und Alkopopsteuer.

  • Ja klar, da fehlen noch ein paar Steuern. Der doofe Michel lässt sich ja willig auspressen, da kann man noch was drauflegen. Wie wäre es mit Steuern auf Salz, Pfeffer, Milcherzeugnisse, Kartoffeln oder Weizenmehl?

    Schließlich wollen die Geschenke an alle möglichen Machthaber und Lobbyisten ja bezahlt sein.

  • Die Überzuckerung der Menschen ... versüßt ihnen nur kurzfristig das Leben ... langfristig gibt es ein bitteres Erwachen ...

  • Verlieren kommt vielleicht nur auf die Länge der Gedankenkette an? Meines Halbwissens gibt es Studien, die belegen wollen, dass in mehrbemittelten Ebenen der Hang zum Übergewicht nur wenig ausgebildet ist, wogegen in minderbemittelten Schichten dieser Hang deutlicher entwickelt ist. Was sicher mit den Preisen von Lebensmitteln zusammenhängt, die viel Zucker oder Fett enthalten. Mit einer Steuer würden dann vielleicht die Minderbemittelten weniger Kaufen und die Mehrbemittelten aber weder mehr noch weniger. Also werden weniger Softis verkauft. Die Limogiganten verzeichnen Umsatzeinbußen, aber genießen Subventionen durch erhöhte Steuereinnahmen! Weniger dicke Minderbemittelte entlasten die Krankenkassen, wodurch die Beiträge sinken. Aber irgendwann wird die Kette reißen...

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Was eine solche Steuer soll, außer Geld in die Staatskassen zu spülen, weiß ich auch nicht. Meines Erachtens muss der Zuckeranteil einfach per Gesetz reduziert werden. Der Verkauf von zuckerhaltigen Getränken sollte zudem in Schulen, Universitäten, Krankenhäusern usw. nicht mehr zugelassen sein. Aber in unserem Land schreien ja alle gleich "CETA" und Mordio, wenn es darum geht, den Leuten Vorschriften zu machen. Dabei müsste ein Staat, der es ernst meint mit der Gesundheit der Menschen, gerade dieses tun.

     

    Die Argumentation, dass Zuckerwasser durch die Steuer zum Luxusprodukt wird, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Diese Zuckerwässer enthalten keine teuren Zutaten und kosten daher nicht viel mehr als ein "besseres" Wasser. Wenn eine 100%ige Steuer draufkäme, könnte sich das noch immer jeder leisten. Und selbst wenn es anders wäre: von Luxusprodukten konsumiert der Durchschnittsbürger eben nicht so viel, wie jener, der sie sich ohne den Euro umzudrehen leisten kann. Wenn sie keine Fanta haben (um Daria umzudrehen), dann sollen sie halt Leitungswasser trinken. Das ist meistens hygienisch nicht oder kaum zu beanstanden, anders als viele gehypte Mineralwässer, die verboten wären, würden sie aus der Leitung kommen.

     

    Was für Zucker gilt, gilt auch für Fleisch und tierisches Fett. Das ist nicht gesund, egal wie sie produziert werden, zumal nicht in den Quantitäten, in welchen sie hierzulande konsumiert werden.

     

    Das Gerede davon, dass sich eine gewisse Bevölkerungsschicht irgendwas nicht mehr leisten könne, ist zudem in Bezug auf Lebensmittel der blanke Hohn, wenn man mal ins Ausland schaut und sieht, wie viel Menschen da für Lebensmittel ausgeben müssen. Wenn die Lebensmittel teurer werden, muss man halt die Prioritäten ändern und kann vielleicht nur noch mit dem Smart statt mit dem fetten SUV zum ALDI um die Ecke fahren.

  • Hallo Veggi-Day ☺

  • Es muss grausig sein, wenn man sich in den moralischen Ansprüchen verstrickt, die durch die komplexen Verhältnisse in der Realität tangiert werden. Je mehr Fantasie man investiert, desto handlungsunfähiger wird man.

  • "...sofern man nicht wie ein Vieh Leitungswasser saufen möchte"

     

    Ich verstehe die Problematik, würde jetzt auch nicht die Zuckersteuer verteidigen, aber diese Idiotie, nach der normales Wasser nicht zu trinken sei, irritiert mich schon immer.

     

    Softdrinks sind keine Getränke, sie sind Süßigkeiten. Wasser mit Kohlensäure ist absurd. Dass Menschen ihren Kleinkindern schon Tee zu trinken geben, weil das arme Kind ja nicht einfach etwas Geschmackloses trinken kann, führt dazu, dass wir alle verwöhnte Marie Antoinettes geworden sind. Die in Afrika haben kein Wasser? Sollen sie doch Fanta trinken.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Daria:

      :-)

       

      Wenn's nicht so traurig wäre.

    • 1G
      10391 (Profil gelöscht)
      @Daria:

      Wasser mit Kohlensäure ist ... Geschmackssache.

      Bitte nicht die eigenen Vorlieben anderen aufzwingen. Danke