Trommeln für die Kunst

Künstlerbedarf Atelierbeauftragter stellt Masterplan vor mit dem Ziel, 2.000 neue und bezahlbare Ateliers bis 2020 zu schaffen

Berlin ist bekanntlich die Stadt der Künstler und Kreativen. Für die das Leben, wie für alle anderen Berliner auch, immer teurer wird. Nur haben die bildenden Künstler noch ein zusätzliches Problem: Sie brauchen ein bezahlbares Atelier. Und unter „bezahlbar“ verstehen die meisten Künstler, die im Durchschnitt monatlich kaum mehr als 1.000 Euro in der Tasche haben, maximal 300 Euro Miete.

In der Innenstadt werden Künstler dabei immer seltener fündig. Allein in den letzten zwei Jahren seien, so das Berliner Atelierbüro, 600 dieser bezahlbaren Ateliers vom freien Markt verschwunden.

Der „Masterplan Art Studios 2020“, eine Art Fahrplan zur Schaffung neuer Ateliers, wurde am Dienstag nicht ohne Grund im Atelierhaus Post Ost in Friedrichshain präsentiert. Für die Künstler des selbst verwalteten Atelierhauses gehen hier Ende des Monats die Lichter aus. Das Gebäude wurde verkauft, ein Start-up wird einziehen.

Doch jetzt zur guten Nachricht: Mit etwas gutem Willen der neuen Eigentümer und der Stadt Berlin könnte dieser Standort für die Kunst vielleicht doch noch gerettet werden, so Florian Schmidt, Atelierbeauftragter für Berlin, der den von ihm verfassten Masterplan, der dem neuen Senat nach der Wahl im September vorgelegt werden soll, präsentierte. Einfach drei Stockwerke drauf auf den Flachbau, so das Konzept, das ergäbe Platz für jede Menge neue Ateliers.

Innerstädtische Räume zu verdichten ist freilich nur eine der Strategien, mit denen laut Masterplan in den nächsten vier Jahren 2.000 neue Ateliers geschaffen werden sollen, längerfristig gäbe es sogar einen Bedarf an der doppelten Menge an Ateliers für die etwa 8.000 bis 10.000 Künstler in der Stadt. Der Masterplan verlangt letztendlich nichts weniger als eine völlige Umorientierung bei der zukünftigen Planung der Stadt. Anstatt nur hektisch überall neuen Wohnraum zu schaffen, sollte auch mal an den Bau von Atelierwohnungen gedacht werden, bezahlbare natürlich. Zwischennutzungsprojekte sollen wieder verstärkt erwogen und Gewerbegebiete für Ateliers geöffnet, noch zu gründende oder bereits bestehende Kulturareale wie etwa das RAW-Gelände mit zusätzlichen Ateliers aufgestockt werden.

Um das alles zu stemmen, ist enormer politischer Wille erforderlich, „Bündnisse für bezahlbare Ateliers“ zwischen städtischer Verwaltung und Immobilienwirtschaft müssten geschmiedet werden, so Schmidt, und die Haushalte entsprechend aufgestockt werden. Die Umsetzung seines Masterplans taxiert der Atelierbeauftragte auf etwa 4 Millionen Euro.

Wie wichtig diese aber ist, erfuhr man nach der Pressekonferenz während der Protestdrumming-Performance des Neubauten-Schlagwerkers N.U. Unruh. Wer wollte, konnte mit ihm vor der Türe laut auf Trommelfelle hauen. Wenn damit gedroht werden sollte, dass Berliner Künstler ohne Ateliers in Zukunft auf die Straße zum Trommeln gehen wollen, kann man nur sagen: Bitte, gebt diesen Leuten Ateliers.

Andreas Hartmann