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Jugend rezensiertÜberzeugt vom „Islamischen Staat“

Warum ziehen junge Leute in den Krieg nach Syrien? Christian Linkers Roman „Dschihad Calling“ erzählt von einer schleichenden Radikalisierung.

Jakob muss eine Entscheidung fällen Foto: imago/STPP

Viele junge Leute kennen die Problematik: Unsere westliche Gesellschaft basiert zu großen Teilen auf Konsum, und dafür müssen Menschen in ärmeren Ländern hungern. Viele Jugendliche, die das erkennen, wollen vor dieser Erkenntnis flüchten. Aus Wut und Hass gegen das kapitalistische System radikalisieren sich auch manche Jugendliche. So auch der 18-jährige Jakob in dem Roman „Dschihad Calling“ von Christian Linker.

Jakob ist zunächst ein normaler Student, er wohnt zusammen mit seiner Freundin in Bonn, am Wochenende besucht er Partys, betrinkt sich. Eines Tages hilft er einer jungen Muslimin, die von rechten Hooligans bedroht wird. Er verliebt sich in ihre blauen Augen. Im Internet findet er heraus, dass die junge Frau Samira heißt und Mitglied in einer salafistischen Vereinigung ist – „Der Einzig Wahre Weg“. Jakob beginnt sich selbst für den Islam zu interessieren. Bei den Salafisten findet er Menschen, die genauso über den Kapitalismus denken wie er.

Jakob entfernt sich immer mehr von seinem Umfeld. Als er sich im Streit von seiner Freundin trennt, nimmt ihn Samiras Bruder Adil auf. Der gibt Jakob Halt und führt ihn zum Islam. Jakob liest im Koran, betet, besucht die Moschee. Er bricht jeglichen Kontakt zu seinem vormaligen Umfeld ab. Durch Adils Einfluss radikalisiert sich Jakob. Er prügelt sich mit Hooligans, postet auf Facebook Bilder von islamistischen Botschaften, die er kurz zuvor selbst an eine Wand gesprüht hat. Adil überzeugt Jakob sogar vom „Islamischen Staat“ (IS), der ihm zuerst nur gewalttätig und sinnlos vorkommt. Samira will ihn von diesem Weg abbringen.

Jakob steht zwischen zwei Fronten. Zieht er in den Dschihad, den Glaubenskrieg des IS, oder bleibt er bei Samira, deren Nähe er nicht mehr missen will?

„Dschihad Calling“ zeigt hervorragend, wie sich junge Leute radikalisieren und sie der IS rekrutiert. Der Leser erfährt auch viel über den Islam und das Leben in einer muslimischen Gemeinde in Deutschland. Dabei gelingt es dem Autor, einen relativ jungen Sprachstil zu benutzen. Gleichzeitig ist die Lektüre wegen der vielen arabischen Wörter („Akhi“ – „Bruder“) auch fordernd.

Das Buch

Christian Linker: „Dschihad Calling“. dtv, München 2016, geeignet für Jugendliche ab 14 Jahre, 320 Seiten, 12,99 Euro

Warum wenden sich junge Menschen dem Salafismus zu, ziehen in den Glaubenskrieg nach Syrien? Weil man sich in Jakob hineinversetzen kann, versteht man die Motive der IS-Anhänger, was sie sich vom Krieg erhoffen – und welche schrecklichen Erfahrungen sie dadurch machen. Ein spannendes, informatives und zum Nachdenken anregendes Buch.

Eine Buchkritik von Andres Miklaw, Schüler, 16 Jahre.

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1 Kommentar

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  • Da sind viele junge Leute offensichtlich falsch informiert... Nichts war je in der Geschichte der Menschheit so erfolgreich im Kampf gegen Hunger und Armut wie das kapitalistische System.

    Dieses System hat einige Länder erst in die Lage versetzt den Hunger bei sich nahezu zu besiegen, und sogar so viele Überschüsse zu produzieren um anderen Ländern in der Hungerbekämpfung Hilfe zu leisten.

    Menschen aus China oder der ehem. Sowjetunion kämen nie auf den Gedanken den Kapitalismus für Hunger verantwortlich zu machen. Die haben noch selbst erfahren was Kommunismus und Sozialismus anrichtet und sehnen sich nach Freiheit und Wohlstand. Oder man schaue sich die aktuelle Lage in Venezuela an. Trotz riesigem Ölreichtum bleiben dort die Geschäfte leer. In Kuba heißen sie gerade den Kapitalismus willkommen...

    Angesichts dessen wäre es ein sinnvoller Beitrag der Terrorismusbekämpfung gegen solche Mythen vorzugehen, die wohl nur in unserer realitätsabschirmenden Überflussgesellschaft entstehen können.

     

    Dass die EU Hähnchenreste nach Afrika exportiert und damit die dortige Landwirtschaft schädigt steht außer Frage, aber deswegen gleich das ganze kapitalistische System anzuzweifeln ist kontraproduktiv.