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Damals, im Schützengraben

Zeitschriften-Umschau Mit Pathos, Anekdoten und Schlachtplänen: Das Magazin„Welt im Krieg“ erzählt den Zweiten Weltkrieg für Gemetzelnostalgiker nach

Gefahrengut-Optik: das Cover von „Welt im Krieg“ Foto: Abbildung: Bonnier

von Peter Weissenburger

Der Bahnhofskiosk – unendliche Weiten: Knapp 1.600 Publikumszeitschriften schwappen regelmäßig in die Regale. In loser Folge und streng nach dem Zufallsprinzip stößt das taz-Medienressort in Parallelwelten vor, die manche menschliche Wesen regelmäßig aufsuchen, auf der Suche nach genau der Zeitschrift, die ihrem Leben den ganz speziellen Sinn gibt. Heute: „Welt im Krieg“

Wie schaut’s aus? Welt im Krieg ist die letzte Neuerscheinung für Kriegsenthusiastinnen und Gemetzelnostalgiker. Das Cover mit Stahlhelmfoto verspricht „Das Grauen des 2. Weltkriegs“ noch mal nacherleben zu, naja, dürfen? Zugegeben, es macht schon Lust, sich diese militaristische Guilty Pleasure mal anzutun. Kommt nur nicht so gut bei den anderen Fahrgästen, die missbilligende Blicke über ihre Architectural Digests hinwegwerfen.

Was steht drin? „Diese Zeitschrift ist wie der Krieg: Grausam und faszinierend zugleich“, heißt es im Editorial. Stimmt: Auf 120 Hochglanzseiten wird die Geschichte des Zweiten Weltkriegs von den Blitzkriegen bis Hiroshima anekdotisch nacherzählt. In den Texten wird kein Platz für Quellenangaben verschenkt, dafür wird eine Waggonladung pathetisch-sensationalistisches Vokabular ausgegossen. Garniert sind die Texte mit schematischen Darstellungen der jeweiligen Schlacht – für alle, die die Eroberung Europas zu Hause nachspielen mögen.

Welt im Krieg ist indes nicht geschichtsrevisionistisch. Es geht allein darum, aus Krieg eine spannende Räuberpistole für den Hausgebrauch zu machen. Effektheischend finden sich im Heft Bilder von Hinrichtungen und seitengroße Fotos, die die Verbrechen der Nationalsozialisten zeigen. Dann aber auch wieder das technische Innenleben der Enigma-Codiermaschine. Es gibt viel zu lernen, über Propaganda­strategien etwa oder Kriegsökonomie. Umfang und Bildfülle lassen vermuten, dass hier irgendwer irgendwo gewaltigen Rechercheaufwand betrieben haben könnte. Schade nur, dass mangels Belegen alle Infos als Möchtergern-Fakten in der Luft hängen bleiben.

Wer liest es? These: Kindgebliebene Ruheständler, die finden, dass das Ganze jetzt langsam mal lange genug her ist, um auch die für sie spannenden Seiten von Krieg zu betrachten. Auf die dritte Nachkriegsgeneration, die mit X-Box-Kriegsspielen groß geworden ist, dürfte das Heft wenig Reiz ausüben.

Wer macht es? Allem Anschein nach handelt es sich um eine Komplett-Übersetzung eines Hefts, herausgegeben vom norwegischen Bonnier-Verlag. Der publiziert sonst Hochglanzmagazine zu Freizeit, Technik und allem, was eben sonst so Spaß macht. Koordiniert wird der deutschsprachige Ableger über ein Amsterdamer Büro.

Warum kauft man es (k)ein zweites Mal? Weil nicht klar ist, ob es überhaupt eine weitere Nummer geben wird. Laut Cover handelt es sich um eine „Spezial“-Ausgabe. Beim Deutschen Pressevertrieb ist sie als Ausgabe 1/2016 gelistet, von dort heißt es aber, es stehe nicht fest, ob das Konzept fortgeführt wird.

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