: Ärger um das Haus am See
Verwaltungsposse Die Jugendfreizeitstätte „Haus am Wannsee“ könnte es bald nicht mehr geben. Damit würde eine angesehene soziale Einrichtung zwischen den Mühlrädern von Senats- und Bezirksverwaltung zerrieben
von Amelie Preyhs
Sie sei in über zehn Jahren noch nie in einer liebevoller geführten Unterkunft gewesen, sagt Vera Merz, eine der beiden Leiterin der Jugendgruppe, die gerade für zwei Wochen zu Gast im „Haus am Wannsee“ ist.
Seit über 60 Jahren wird das am östlichen Ufer des Großen Wannsees mitten im Zehlendorfer Grunewald gelegene Gebäude als soziale Einrichtung vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg genutzt und seit 1998 vom Verein Praktische Pädagogik betrieben. Sinn ist, Stadtkindern, deren Familien sich keine Urlaubsreisen leisten können, Ferien in der Natur zu ermöglichen. Vor allem mit Schulen und Kindergärten arbeite man zusammen, bereits jetzt seien die Sommermonate 2017 komplett ausgebucht, erklärt Otfried Jensen vom Trägerverein.
Doch das Haus ist alt und Sanierungsarbeiten mittlerweile unvermeidbar. So müssen essentielle und teure Dinge wie Fenster und Dach neu gemacht werden. Insgesamt soll 240.000 Euro investiert werden. Dafür benötigte der Verein langfristige Kredite, deren Tilgungsraten nicht zur Erhöhung der Übernachtungspreise führen.
Um solche Darlehen zu bekommen, braucht man aber eine zeitliche Sicherheit. Konkret bedeutet das: Potentielle Kreditgeber verlangen einen Nutzungsvertrag über das Haus bis 2036. Der jetzige Vertrag mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg läuft 2020 aus, mit einer Verlängerungsoption von fünf Jahren.
Seit über einem Jahr bemühe sich der Verein deshalb schon um Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung. Doch das Bezirksamt verweigere das, empört sich Jensen. Durch die Verzögerungen bei den Vertragsverhandlungen mussten alle bisherigen Bauvorbereitungen gestoppt werden, so dass bereits Mehrkosten in Höhe von 10.000 Euro entstanden sind.
Seit 2010 bestreitet Praktische Pädagogik den baulichen Unterhalt des Hauses selbst – und erhält dafür keine Mittel vom Bezirk. Auch die Kosten für die Sanierung werde man aus eigener Tasche und durch selbständig organisierte Drittmittel finanzieren. „Wir brauchen kein Geld vom Bezirk, wir brauchen nur die Vertragsverlängerung!“, betont Marion Wegner, die die Gäste des Hauses ehrenamtlich betreut. Es sei unverständlich, warum der Bezirk, ohne selbst Kosten befürchten zu müssen, einer gemeinnützigen Organisation die Möglichkeit nehme, soziale Arbeit weiterzuführen.
Katrin Schröder, zuständige Fachleiterin des Jugendamtes von Friedrichshain-Kreuzberg, weist die Vorwürfe entschieden zurück. Der Bezirk habe stets versucht, zu helfen. Dass das nicht schneller ginge, läge an den Berliner Forsten.
Denn die vom Bezirk bevorzugte Lösung des Dilemmas ist ein direkter Vertrag zwischen dem Trägerverein Praktische Pädagogik und den Berliner Forsten. Der der Senatsverwaltung für Umwelt unterstehenden Forstverwaltung gehört das Grundstück, auf dem das Haus am Wannsee steht. Bis jetzt hat der Bezirk einen Nutzungsvertrag mit den Forsten und funktioniert so als Mittlerfunktion Verein und Grundstückseigentümer. Aus dieser Position wolle man heraus, so Schröder. Die Berliner Forsten hielten den Bezirk jedoch seit Monaten hin.
Laut Jensen haben die Berliner Forsten bereits vor acht Jahren ihr fehlendes Interesse an einem anderen Vertragspartner als dem Bezirk kundgetan. Sobald der Vertrag mit dem Bezirk ausgelaufen sei, wolle der Grundstückseigentümer die Fläche renaturieren. Der taz gegenüber ließen die Berliner Forsten dies allerdings unbestätigt. Bestätigt wurde dagegen, dass mit dem Bezirksamt „demnächst“ über eine möglicherweise gewünschte Vertragsauflösung gesprochen werde.
Während die Mühlen der Verwaltung also mahlen, steigen die Sanierungskosten weiter an. Das bedroht die zugesagten Drittmittel akut, da deren Geber ohne zeitliche Sicherheit zunehmend unruhig werden.
Der Verein hat sich deshalb mittlerweile auch an den Jugendhilfe-Ausschuss des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg gewandt. „Sie helfen allen, aber niemand hilft ihnen“, sorgt sich Jugendgruppenleiterin Merz um die Haus-Betreiber.
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