In jeder Imbissbude ein Spion?

Diplomatie Was macht der türkische Geheimdienst in Deutschland? Die Grünen wollen das jetzt durch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags geklärt wissen

Wenn die Zahl stimmt, käme rechnerisch auf 500 türkischstämmige Bürger ein Informant Foto: D. Butzmann/laif

von Daniel Bax

BERLIN taz | Nach der Sommerpause wird sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags (PKGr) mit den Aktivitäten des türkischen Geheimdiensts in Deutschland beschäftigen. Er werde das Thema auf die Tagesordnung einer ­Sondersitzung Anfang September ­setzen, sagte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele am Montag im Deutschlandfunk.

Ströbele fordert Auskunft von der Bundesregierung, was sie über diese Aktivitäten weiß. Auch müssten Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Polizei ihre Zusammenarbeit mit der Türkei überprüfen. Sonst liefen sie Gefahr, sich womöglich an strafbaren Handlungen mitschuldig zu machen, so Ströbele.

Am Wochenende hatte die Welt am Sonntag unter Berufung auf nicht näher genannte „Sicherheitskreise“ berichtet, der türkische Geheimdienst MIT führe neben einer großen Zahl hauptamtlicher Agenten über 6.000 Informanten in Deutschland. Rechnerisch käme somit auf 500 türkischstämmige Bürger ein Informant.

Erstmals war diese Zahl im Februar in einem Artikel des Handelsblatts aufgetaucht. Die Bundestagsfraktion der Linkspartei wollte daraufhin in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen, was sie darüber weiß. Die Bundesregierung könne diese Zahl nicht bestätigen, lautete die Antwort.

Seit 2010 gab es „insgesamt vier Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für türkische Geheimdienste“. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine andere Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag hervor. Zuletzt warf die Bundesanwaltschaft drei in Deutschland lebenden Türken vor, für den türkischen Geheimdienst gearbeitet und über Jahre hinweg türkische Oppositionelle ausgeforscht zu haben. Seit September 2015 stehen die drei Männer deshalb vor Gericht.

Die Bundesregierung kann die Zahl von 6.000 Informanten nicht bestätigen

„Ausländische Nachrichtendienste betreiben mit hohem organisatorischem und finanziellem Aufwand Spionage gegen Deutschland“, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Namentlich nennt er Russland, China und den Iran. Deren Ziel seien auch „systemoppositionelle Gruppen“. Aber auch die Geheimdienste westlicher Staaten seien in Deutschland aktiv.

Offen ist, ob sich das Vorgehen des türkischen Geheimdienstes seit dem Putschversuch geändert hat. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Clemens Binninger (CDU), will dies jetzt prüfen lassen.

Zugleich mahnte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) einen nüchternen Umgang mit der Türkei an. Viele Maßnahmen nach dem Putsch seien unverhältnismäßig und Erdoğan versuche, Einfluss auf die Menschen in Deutschland zu nehmen. Aber, so der Minister: „Die Türkei ist Nato-Mitglied und für uns ein wichtiger Partner in der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.“