: Köln misst mit zweierlei Maß
Verbot SPD-Abgeordnete und NRW-Linke kritisieren Absage des kurdischen Kulturfestivals im Rheinenergiestadion. Der Veranstalter will dagegen klagen
Aus Köln Claudia Hennen
Die Absage des kurdischen Kulturfestivals im Kölner Rheinenergiestadion, das für den 3. September geplant war, stößt auf deutliche Kritik. Als „Panikmache“ und „Verbot durch die Hintertür“ bezeichnet die NRW-Linke die Entscheidung des Stadionbetreibers, der einer Empfehlung des Kölner Polizeichefs Jürgen Mathies gefolgt war.
„Gerade angesichts der schlimmen Situation in der Türkei darf den Kurdinnen und Kurden nicht auch in Köln die Stimme verboten werden“, erklärt Christian Leye, Landessprecher der NRW-Linken. Seine Kollegin Özlem Demirel findet es unerhört, dass der Kölner Polizeipräsident der Argumentation der türkischen Generalkonsulin Şule Gürel fast im Wortlaut gefolgt sei. Gürel hatte die Veranstaltung als „terroristische Propaganda“ bezeichnet und ein Verbot gefordert.
Der neue Kölner Polizeichef Jürgen Mathies hatte das Aus für das Kulturfestival mit seiner Empfehlung an den Betreiber forciert. „Die jüngsten gewalttätigen Konflikte in der Türkei führen zu einer hohen Emotionalisierung auch der hier in Köln lebenden Kurden und Türken und bereiten uns große Sorgen“, teilte Mathies am Mittwoch mit. Nach vergleichbaren Veranstaltungen sei davon auszugehen, dass im Stadion massiv Werbung für die PKK betrieben werde. Das wiederum könne türkische Nationalisten auf den Plan rufen, man fürchte gewalttätige Aktionen.
Der Stadionbetreiber, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt, gehorchte. Zwei Tage zuvor hatte er noch erklärt, dass es sich bei NAV-DEM um einen Verein handle, der „sich am Meinungsbildungsprozess der deutschen demokratischen Gesellschaft beteiligt“.
Kritik an der Absage übte auch die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. Wenn die Kölner wie Ende Juli dazu in der Lage seien, eine Demonstration türkischer Nationalisten am Deutzer Rheinufer zu ertragen, dann müssten sie auch ein kurdisches Kulturfest tolerieren: „Was man den einen gewährt, darf man den anderen nicht verwehren.“ Akgün warnt: „Wir müssen jetzt ernsthaft diskutieren, inwiefern die innenpolitische Lage der Türkei in unser Land hereingetragen werden darf.“ Nationalistische Türken dürften nicht die Stimmung in Deutschland beherrschen – das ginge auf Kosten derjenigen türkischstämmigen Bürger, die integriert sind, die sich in Deutschland zu Hause fühlen.
Das kurdische Kulturfestival findet seit 1992 jährlich an verschiedenen Orten statt, 2011 schon mal im Kölner Rheinenergiestadion. 2015 kamen ca. 30.000 Teilnehmer friedlich zusammen. Auf der Webseite der Veranstalter heißt es: „Auch in diesem Jahr steht unser Festival im Zeichen der Forderung nach Frieden, Freiheit und Demokratie.“ Der Veranstalter, der in Düsseldorf ansässige kurdische Verein NAV-DEM, hat unterdessen angekündigt, gegen die Entscheidung zu klagen. Er sieht sich zu Unrecht einem pauschalen Terrorverdacht ausgesetzt. Verfassungsschutz und NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sieht der Verein als treibende Kraft für das Verbot.
Der Verfassungsschutz beobachtet NAV-DEM seit Längerem, listet den Verein im aktuellen Bericht unter „sicherheitsgefährdenden und extremistischen Bestrebungen von Ausländern“. Deutsche Behörden sehen in dem kurdischen Kulturverein die Dachorganisation PKK-naher Vereine in Deutschland.
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