: Im Zeichen der Drächin
Jubiläum Das feministische Kunstprojekt Galerie Futura und Alpha Nova Kulturwerkstatt wird 30 Jahre alt. Das wird ab Samstag mit einer Gruppenausstellung im Kunstquartier Bethanien gefeiert
von Beate Scheder
In Märchen und Sagen bedeuten Drachen selten etwas Gutes. Meist stellen die feuerspeienden Mischwesen aus Schlange, Raubkatze und Greifvogel eine Bedrohung für die Menschheit dar und es bedarf eines Helden, der sich dem Ungeheuer mutig entgegenwirft. Bei Futura ist das anders, vielleicht weil es sich nicht um einen Drachen, sondern um eine Drächin handelt. 30 Jahre hat sie jetzt auf dem Zackenbuckel. Futura ist 1986 kurz nach der Katastrophe von Tschernobyl entstanden. Eine Handvoll Berliner Aktivistinnen der Frauen-Friedensbewegung trugen damals ihren Protest auf die Straße und vorneweg Futura, die Drachenfigur als Kunstobjekt und Symbol des Widerstands.
Eine Fotografie von einer dieser Aktionen hängt momentan in den aktuellen Räumen der Galerie Futura als Teil einer Archivausstellung. Katharina Koch zeigt darauf, als sie von den Anfängen der Galerie erzählt, die sie gemeinsam mit Dorothea Nold leitet. Katharina Koch hat 2012 die Gründerin und langjährige Leiterin Uta Koch-Götze abgelöst, Nold ist seit 2015 mit dabei.
30 Jahre sind kein Alter für ein Fabelwesen, aber eine lange Zeit in der Kunstszene Berlins, in der so viele Projekträume und auch Galerien nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwinden. Dass es Futura nach wie vor gibt, liegt auch an ihrer ungewöhnlichen Gründungsgeschichte und an der Idee, die sich daraus bildete: Frauen aus Kunst und Kultur einen Ort zu bieten, an dem sie zusammenkommen, um sich zu vernetzen und um ihre Positionen – egal ob bereits etabliert oder noch unbekannt – zu präsentieren. Futura ist ein Experimentierfeld und ein Ort des Erfahrungsaustausch für Künstlerinnen verschiedener Generationen. Damals, Mitte der 1980er Jahre war das ein Novum, noch heute ist es eine Besonderheit.
Der Fokus auf bildende Kunst kristallisierte sich in den ersten fünf Jahren heraus. Ab 1991 entstanden am ersten Standort am Mexikoplatz Ausstellungen und große Installationen im Garten der Galerie. 2001 bezog man größere Räume in Friedenau mit mehr Platz für die Kunst und für Alpha Nova, die Kulturwerkstatt, die damals dazukam. Mit dem Generationswechsel in der Leitung im Jahr 2012 kam es erneut zum Umzug. Auch aus programmatischen Gründen: „Wir wollten das Projekt nicht komplett umkrempeln, aber einen bewussten Neuanfang“, sagt Koch, die Futura damals zunächst gemeinsam mit Anne Kohl übernahm. „Unser Zielpublikum ist jünger und internationaler,“ erklärt sie. Dem sollte auch das Umfeld entsprechen. Futura zog nach Kreuzberg, an den Flutgraben. Die Nähe zum Kunstverein Flutgraben und die Räume gaben den Ausschlag. Geblieben sind das Konzept, der feministische Schwerpunkt und die engen Beziehungen zu den beteiligten Künstlerinnen.
Das Jubiläum ist Anlass zurückzublicken, aber auch in die Zukunft zu schauen. Schon der Titel der Ausstellung, die am Samstag im Kunstquartier Bethanien eröffnet, spielt darauf an: „Welcome to Futuristan“. Neun Künstlerinnen sind in der Jubiläumsschau vertreten, ältere und jüngere, solche, die bereits in der Galerie gezeigt wurden, aber auch zwei neue Positionen. Die Auswahl trafen Koch und Nold gemeinsam mit Gründerin Koch-Götze. „Die Ausstellung ist auf eine Art chronologisch, mehr noch ist es aber der Versuch, einen Dialog zwischen den Positionen entstehen zu lassen“, sagt Nold. Da ist etwa Anna von Holleben, die älteste Künstlerin der Ausstellung, die schon mehrfach bei Futura ausgestellt hat. Ebenso Gisela Weimann. Auch sie ist mit der Galerie seit vielen Jahren verbunden. Von der Multimediakünstlerlin stammt auch der Helm auf dem eigens für die Ausstellung kreierten Ankündigungsbild, auf dem Künstlerin Simone Zimmermann durchs Fernrohr symbolisch nach Futuristan blickt. Die jüngeren Künstlerinnen der Ausstellungen zeigen indes, wie sich der Themenkreis, aber auch die künstlerische Sprache verändert hat: Nathalie Anguezomo Mba Bikoro, die sich mit postkolonialen Fragen beschäftigt, präsentiert zum Beispiel eine Arbeit über die Wünsdorfer Moschee, die während des Ersten Weltkriegs im Kriegsgefangenenlager für muslimische Gefangene errichtet wurde. Andererseits ist ihr Ansatz jedoch auch typisch für die Künstlerinnen der Galerie Futura egal welcher Generation: Die Auseinandersetzung mit dem eigenen biografischen Hintergrund sowie mit den Lücken oder Fehlern der offiziellen Geschichtsschreibung. Der gleichzeitig retrospektive wie visionäre Blick vereint die Positionen, die Unterschiede in den Genres und der künstlerischen Sprache zeigt ihre Vielfalt.
In den Räumen am Flutgraben wäre für die Jubiläumsausstellung zu wenig Platz gewesen, deshalb findet diese nun im Kunstquartier Bethanien statt. „Für uns ist das auch eine Möglichkeit, dem Raum eine andere Sichtbarkeit zu verschaffen“, sagt Nold. Auch beim Project Space Festival sind sie in diesem Sommer dabei, mit einer Performance von Nathalie Anguezomo Mba Bikoro am 18. August.
Und die Drächin? Die Figur selbst ist leider seit Jahren verschollen, doch die Idee trägt sich auch ohne sie fort. Die nächsten Projekte sind bereits in Planung. Derzeit sind Koch und Nold gemeinsam mit einer anderen Kuratorin dabei, eine Reihe zu konzipieren, in der es um die Frage gehen soll, was es heute bedeute, feministisch zu kuratieren.
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