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: Der Irrsinn wartet im Großraumbüro

„The Dou­ble“ (UK 2014; Regie: Richard Ayoade)

Simon James (Jesse Eisenberg) ist James Simon (Jesse Eisenberg) ist nicht Simon James (Jesse Eisenberg). Der eine ist der Doppelgänger des anderen, aber sie gleichen sich und gleichen sich nicht. Simon James arbeitet in einer Firma, die mit Daten und Computern zu tun hat. Er macht seinen Job, über dessen genaue Konturen wir wenig erfahren, nicht schlecht, aber sein Boss (Wallace Shawn) kennt ihn kaum und schon gar nicht mit Namen. Simon James fühlt sich nicht wohl in seiner Haut.

Er trägt immer denselben grauen Anzug, der auch noch schlecht sitzt. Zu Hause beobachtet er durch das Teleskop Hannah (Mia Wasikowska), seine Kollegin aus der Fotokopieabteilung. Sie lebt im Haus gegenüber und ist das Objekt seines Begehrens, aber den Weg zu diesem Objekt findet er nicht.

Eines Morgens wird Simons ID-Karte in der Firma nicht mehr erkannt. Es droht der Fall ins Nichts, von dem er zuvor schon immer nur einen kleinen Schritt entfernt schien – ein Mann ohne soziales Netz und eigene Identität. Da taucht James Simon auf. Er gleicht Simon aufs Haar, was aber nur für sein Äußeres gilt. Denn James ist der Mann, der da reüssiert, wo Simon versagt. James tritt ganz anders auf als sein Original: selbstbewusst, ohne Skrupel.

Im Job stapelt er mit Simons Hilfe hoch und findet die Beachtung des Chefs. Es gelingt ihm, gleich zwei Frauen zu verführen, darunter Hannah, die er mehr als unglücklich macht. Simon sieht das mit an. Alle lieben James, seinen Doppelgänger, nur dass ihn keiner als solchen erkennt. James ist der gemachte Mann, wo Simon die Null bleibt. James zieht das Licht auf sich, um Simon wird es nur immer dunkler. Es kommt zum Duell, draußen, wo es noch dunkler ist.

In keinem Winkel dieser Welt findet sich ein ­Rückzugspunkt

„The Double“ ist die Verfilmung von Fjodor Dostojewskis frühem Roman „Der Doppelgänger“. Im Kern hält sich Richard Ayoade, Regisseur und Drehbuchkoautor, an dessen Geschichte. Allerdings verlagert er sie aus dem St. Petersburg des 19. Jahrhunderts an einen weder geografisch noch historisch genau bestimmbaren Ort. Die Stimmung, die Firma, der Ton: so ungefähr Kafka via Terry Gilliams „Brazil“. Retrofuturistisches Design, im Fernsehen läuft seltsame SciFi-Action. Hart, schnell fliegen in den Dialogen die Sätze. Hart und schnell, rabiat manchmal fast, fliegen auch die Schnitte, in keinem Winkel dieser Welt findet sich ein Rückzugspunkt, an dem sich James einrichten könnte. Nicht zu Hause und schon gar nicht auf der prekären Position in seiner Zelle im Großraumbüro.

Das aber heißt: Hier schleicht sich der Irrsinn nicht ein, sondern er ist von Anfang an da. Und weil das fürs Design, für die Montage, für jedes Detail gilt, macht die zwischen Realität und Wahn schwankende Doppelgänger-Figur zugleich zu viel und zu wenig Effekt. Die Pointe der möglichen Gegenwartsdiagnose vom Sieg des Selbstperformers über das von den Verhältnissen gekränkte Angestellten-Ich geht so eher verloren. Ganz anders übrigens in Pierre Léons „Deux Rémi, deux“, einer weiteren „Doppelgänger“-Verfilmung aus Frankreich aus dem vergangenen Jahr (hierzulande weder im Kino noch auf DVD zu haben). Hier ist die Geschichte mitten in unsere Gegenwart versetzt, der Held arbeitet als Angestellter in einer Firma („Chat va bien“), die online Katzenartikel verkauft. Das mit Neid erfüllende andere Ich taucht einfach auf, das Leben geht ohne große Veränderung weiter.

Zwar kommt es auch hier zum Duell, es geht aber anders aus. „Deux Rémi, deux“ spielt hoffnungslose Komödie, wo „The Double“ in jeder Hinsicht schweres Geschütz auffährt, aber sich in einem seltsam zeitlosen postkafkaesken Niemandsland verirrt. Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich