: „Sie konnte nicht besonders gut kochen“
Freundschaft Wie sich Astrid O. das Vertrauen eines Flora-Aktivisten erschlich: In ihrer Legendegab es einige Entsprechungen zu ihrem realen Leben, vor ihrem Abschied gab sie sich ausgebrannt
32, Name geändert, aktiv in verschiedenen Gruppen aus dem Umfeld der Roten Flora
Astrid habe ich zum ersten Mal 2006 bei einer Antifa-Demo in Harburg gesehen. Sie wurde mir als Bekannte einer Freundin vorgestellt. Sie wirkte wie jemand, der neu in Hamburg ist und Interesse hat, sich bei Protesten einzubringen und sich bei linken Mobilisierungen zu engagieren. Sie war dann relativ schnell an vielen Punkten aktiv: In der Flora, bei Mobilisierungen zu Antinazidemos und so. Da haben sich unsere Wege immer öfter überschnitten.
Daraus entwickelte sich mit der Zeit ein persönliches Verhältnis: Wir haben uns verabredet und uns häufig abends zu zweit getroffen oder sind auf Partys und in Kneipen gegangen. Sie hat immer betont, dass sie total gerne essen geht. Da kam ihr Italien-Faible zum Tragen: Zum Italiener wollte sie besonders gern gehen. Das haben wir öfters gemacht. Sie hat es auch sehr forciert, mich zu Hause zu treffen, so nach dem Motto „du hast doch so ne tolle Küche“, da würde sie liebend gerne mal kochen. Das haben wir dann auch öfters gemacht. Dabei konnte sie eigentlich gar nicht besonders gut kochen.
Die Ebenen von politischem und privatem Kontakt sind verschwommen. Ich war nie mit ihr in einer Gruppe organisiert, aber ich saß mit ihr auf Plenen. Natürlich haben wir viel über Privates gesprochen – man spricht dann ja nicht so checkermäßig die ganze Zeit über Politkram, sondern eben auch darüber, wie es gerade auf der Arbeit läuft oder was einen gerade so beschäftigt.
Aus inhaltlichen Diskussionen hat sie sich eher rausgehalten. Wir haben uns nicht oft über politische Theorie unterhalten. Bei politischen Gesprächen in der Kneipe fand ich sie eher oberflächlich. Aber das ist auch kein Alleinstellungsmerkmal verdeckter ErmittlerInnen.
Ich hatte – vor ihrer Enttarnung – schon den Eindruck, mit ihr befreundet gewesen zu sein. Sie war auch auf meinem Geburtstag und ich war an dem Tag bei ihr, an dem sie vorgab, Geburtstag zu haben – was ja im Nachhinein nicht stimmte. Wir saßen in ihrem relativ kleinen Zimmer in der Holländischen Reihe und haben zusammen getrunken, gelacht, was erzählt. Ich hab sie mehrmals betrunken erlebt.
Ihr Zuhause war der klassische anonyme Wohnblock. Sie hatte ’ne Matratze, die auf’m Boden lag und da hingen drei Politposter, relativ lieblos an die Wand gepinnt. Es war eine sehr oberflächlich eingerichtete Einzimmerwohnung. Einmal hat sie ein Geburtstagsgeschenk für eine gemeinsame Freundin organisiert. Das war eine Stofftasche mit dieser Herr-Rossi-Figur, eine italienische Comicfigur, die die Freundin gut fand. Das wusste Astrid, es war ihre Idee, das auf eine Stofftasche zu drucken.
Was mir auch damals schon aufgefallen ist, ist dass sie in einigen Punkten nicht den Stereotypen von Szene entsprochen hat. Aber das fand ich ganz sympathisch. Allerdings hatte sie hatte die gleiche Art Dreadlocks, die auch Maria B. hatte, die ich ja auch kannte. Die waren definitiv beim gleichen Frisör. Die Dreads waren ausgesprochen dünn. Aber haben wohl den Zweck erfüllt.
Sie sprach immer von diesem Freund oder Bekannten auf Sardinien, wo sie immer mal hin wollte. In ihrem realen Leben hatte sie ja auch wirklich einen italienischen Freund, Giuseppe heißt er. Der lebt nur nicht auf Sardinien. Sie hat gesagt, dass sie ihn schon lange kennt, weil sie im gleichen Ort aufgewachsen sind. Er wurde später einigen Leuten vorgestellt, wobei ich ihn persönlich nicht kennengelernt habe. Wir haben da nicht so wirklich drüber geredet.
Liebe ist ja auch nicht so das favorisierte Tratschthema in der Linken. Ein immer wiederkehrendes privates Thema war Italien, da hat sie gerne drüber gesprochen und das deckt sich ja auch mit ihrer Realbiografie. Oder ihr Dackel, Hunde im Allgemeinen waren ihr Thema. Und sonst: Was man am Wochenende so gemacht hat, Alltägliches. Einmal hat sie mir ’ne SMS geschrieben: „Eigentlich bin ich ganz schön müde, Schnucki, aber heute ist Flora-Pflicht.“ Da ging’s um ne Party. Das liest man jetzt natürlich anders im Nachhinein.
Irgendwann wurde der Kontakt von ihrer Seite weniger. Als sie bei der Antirepressionsgruppe war, war offensichtlich das Ziel erreicht, das Interesse an mir war erlahmt. Kurz bevor sie gegangen ist, hat sie sich noch mal mit mir getroffen, um mir zu erzählen, dass sie völlig abgegessen sei, keinen Bock mehr habe, in der Szene alles doof, nichts funktioniere, es bringe alles nichts.
Bei Iris P. und Maria B. war das ganz ähnlich. Das ist aber auch realistisch, es kann ja viele reale Gründe dafür geben, sich mehr ins Private zurückzuziehen. Astrid hat gesagt, dass sie keine Perspektive mehr für sich sehe und wolle weg, denn sie habe jetzt diese Fernbeziehung.
Während ihres Einsatzes gab es ja zweimal Misstrauen gegen sie. Aber von den Vorwürfen wusste ich zu dem Zeitpunkt nichts, obwohl wir so eng miteinander waren. Ich habe erst davon erfahren als sie schon weg war.
Protokoll: Katharina Schipkowski
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