piwik no script img

Stoff für den Traumjob

Modenachwuchs Die deutsche Modehauptstadt Berlin zieht den Nachwuchs beinahe magisch an. Doch wer als DesignerIn in der Fashion-Welt mitspielen möchte, braucht ein solides Fundament. Das Angebot ist breit

Selbstdisziplin, Arbeit und Leidenschaft sind gefordert Foto: imago

von Susanne Kretschmann

Wenn vom 28. Juni bis 1. Juli wieder Models über die Laufstege der Fashion Week schweben, wenn parallel dazu Modefachmessen stattfinden, dann wird es einmal mehr deutlich: Berlin ist Deutschlands Modeme­tropole. „Durch die zahlreichen Messen und Modenschauen hat sich Berlin zum Kompetenzzentrum für Mode entwickelt“, erklärt Shamsey Oloko, Professor für Marketing und Retail an der EBC Hochschule in Berlin. „Nicht zuletzt aufgrund der großen Start-up-Szene ist Berlin zu einem Schmelztiegel verschiedener Kulturen und Nationalitäten geworden und hat zahlreiche Kreative angelockt.“

Einer dieser Kreativen, der seinen Weg erfolgreich geht, ist der Berliner Modedesigner Hien Le. 2011 debütierte er mit der ersten Kollektion seines Labels auf der Berlin Fashion Week. „Ich war zwölf, als ich eine Doku über Mode gesehen habe. Die ging mir nicht mehr aus dem Kopf und hat mich so fasziniert, dass ich unbedingt etwas mit Mode machen wollte“, sagt der gebürtige Laote. Der Schneiderlehre folgte das Modedesignstudium an der HTW Berlin und 2010 die Gründung des Labels „Hien Le“. „Ich finde es toll, dass es eine Fashion Week in Deutschland gibt und zudem in Berlin“, sagt der Modeschöpfer. „Ich denke, dass es eine gute Möglichkeit für uns Designer ist, unsere Arbeiten der Öffentlichkeit und vor allem der Presse zu zeigen.“

Die glamouröse Modewelt übt einen besonderen Reiz auf junge Menschen aus. Der Beruf des Modedesigners gilt nach wie vor als Traumjob. Experten haben jedoch ihre eigene Definition dafür: „Traumjob deshalb, weil ein Modedesigner letztendlich Begehrlichkeiten gestaltet und sozusagen als Seismograf seiner Zeit wirkt, indem er Sehnsüchte und Wünsche seiner Kunden wahrnimmt und in ästhetische, verkäufliche Produkte umsetzt“, sagt Martina Vogt, Abteilungsleiterin des Fachbereichs Modedesign des Lette Vereins Berlin. „Aber das ist nur mit viel Selbstdisziplin, Arbeit und Leidenschaft für das Metier zu erreichen.“ Oloko fügt hinzu: „Die Modebranche ist knallhart. Wer sich der Illusion hingibt, dass es letztlich vorwiegend Champagner trinken und Promis kennenlernen bedeutet, der hat noch nicht verstanden, dass auch die Modebranche den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Marktes gehorcht.“

In Berlin bieten mehr als zehn verschiedene Institutionen Ausbildungen im Modebereich an: staatliche Schulen und Hochschulen, halbstaatliche Stiftungen und Privatschulen. Die Ausbildungen können als Studium oder als berufliche Erstausbildung absolviert werden, berufsbegleitend oder in Vollzeit, sie werden staatlich gefördert oder müssen privat finanziert werden.

Das üppige Angebot an Berufsbezeichnungen sorgt bisweilen für Verwirrung: Neben Modedesign stehen unter anderem Studiengänge wie Mode- und Designmanagement, Modemarketing und Bekleidungstechnik/Konfektion zur Auswahl. Die Ausbildungsinhalte und Schwerpunkte der Schulen variieren und sollten im Vorfeld studiert werden.

Der richtige Abschluss?

„Die Berufsbezeichnung ‚Designer‘ ist nicht geschützt und kann daher von jeder Person geführt werden“, erläutert Maren Baldeweg, Direktorin des Oberstufenzentrums Bekleidung und Mode in Berlin. Gleiches gilt für die Bezeichnung „Manager“. „Die Ausbildungsstätten, die einen Bachelor anbieten, sind in öffentlicher oder privater Trägerschaft, und der Bachelor ist ein staatlicher Abschluss, der aufgrund von staatlich vorgegebenen Regularien erteilt wird.“ Der Wert von Abschlüssen ohne staatliche Anerkennung ist schwer zu beurteilen. „Letztlich muss der potenzielle Arbeitgeber entscheiden, ob die vorgelegte Qualifikation zum Unternehmen passt“, so Baldeweg.

Modedesign studieren

Ausbildungsinhalt: Der Beruf des Modedesigners ist eine Symbiose aus Entwurf, Gestaltung und Visualisierung von modischen Images. Das Studium steht für kreatives, handwerkliches und technisches Know-how. Kollek­tionskonzepte werden entwickelt und Entwurfsskizzen in Modell- und Erstschnitte umgesetzt.

Ausbildungsstätten: AMD Akademie Mode & Design, Me­diadesign Hochschule, Lette Verein Berlin, Best-Sabel, Esmod Berlin – International University of Art for Fashion, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Universität der Künste Berlin, Weißensee Kunsthochschule ­Berlin, Oberstufenzentrum ­Bekleidung und Mode.

Ausbildungsdauer: vier bis acht Semester.

Um den passenden Studien­gang zu finden, sollten sich Schulabgänger fragen: Will ich produzieren (nähen, stricken, sticken, ändern, fertigen)? Dann wäre eine SchneiderInnenausbildung in allen Formen interessant. Möchte ich entwerfen, ausprobieren, innovieren? Dann ist eine Ausbildung zum/zur ModedesignerIn empfehlenswert. Bin ich technisch interessiert? Dann bietet sich eine Ausbildung zur/zum BekleidungstechnikerIn an. Wen wirtschaftliche Zusammenhänge interessieren, dem stehen die Management- und Marketingrichtungen der Modebranche offen.

Während bei einigen Institutionen ein branchennahes Praktikum nachzuweisen ist, setzen andere mehrjährige Berufserfahrung voraus. Oft müssen Bewerber Mappen mit Arbeitsproben abgeben oder ihr Können in Workshops unter Beweis stellen. Außerdem werden in regelmäßigen Abständen Informa­tionsveranstaltungen angeboten.

Für Studenten ist häufig auch die Finanzierung ein wichtiges Entscheidungskriterium. An Privatschulen beträgt die monatliche Studiengebühr rund 300 bis 700 Euro. Ob Bafög gezahlt wird, entscheidet das zuständige Bafög-Amt. Es gibt Schulen, bei denen sich die Studenten um ein Stipendium bewerben können. Auch Härtefallreglungen sind denkbar und können sozial schwachen Interessenten den Weg zum Studium ebnen. Wer seine Ausbildung dann erfolgreich abschließt, dem steht ein breites, abwechslungsreiches und spannendes Arbeitsfeld offen. Tätigkeiten wie die Ausstattung von TV, Film und Bühne, PR-Arbeit und Modejournalismus sind nur einige wenige Beispiele dafür. Vogt: „Letztendlich liegt es am Engagement und Durchhaltevermögen jedes Einzelnen, ob er beruflich Fuß fasst und Erfolg hat.“

Wer sich jetzt für eine Modeausbildung entscheidet, hat dafür einen guten Zeitpunkt gewählt. An den meisten Schulen laufen gerade die Bewerbungsfristen für das Wintersemester 2017. Und – falls noch Ideen für die Bewerbungsmappen fehlen: In den kommenden Tagen wird es in Berlin davon nur so wimmeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen