: Grün, grün, grün sind alle meine Kleider
Werte Berlin ist Vorreiter in der grünen Modeszene. Während in New York, Mailand und Paris Stil und Look im Fokus stehen, setzte die hiesige Szene schon früh auf Nachhaltigkeit – und tut das jetzt zur Fashion Week
von Petra Haubner
Berlin tickt grüner als ein Großteil der restlichen Fashionwelt und ist weltweit Vorbild für ökologisch und ethisch produzierte Mode.
Die hiesige Gründerszene wächst rasant, mittlerweile sind rund 2.500 Modeunternehmen in der Stadt ansässig, und ebendiese Modeszene ist auch eine treibende Kraft der sogenannten Slow Fashion. Dieser Trend spiegelt sich außerdem in der Modefachmesse Ethical Fashion Show wider, die in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal seit 2012 parallel zur Berlin Fashion Week veranstaltet wird.
Zusammen mit dem Greenshowroom für Eco Streetwear bildet sie, gewissermaßen als grünes Messeduo, einen Gegenpol zur Fast Fashion, wie sie auf herkömmlichen Schauen präsentiert wird – mit Erfolg. Nachdem die Ethical Fashion Week im Januar 2012 mit 36 Labels begonnen hatte, verbucht sie in diesem Jahr gemeinsam mit dem Greenshowroom eine Rekordbeteiligung der Aussteller mit 168 Labels. Neben internationalen Firmen etwa aus Peru, Brasilien, Österreich und Skandinavien beteiligen sich auch Berliner Designer, so das Familienunternehmen De Colores mit fairen Strickteilen aus Alpakawolle oder das junge Label Nix mit femininer Ecomode.
Die Voraussetzung für eine Teilnahme an der Ethical Fashion Show besteht in der Erfüllung verschiedener Nachhaltigkeitskriterien, erarbeitet vom Veranstalter, der Messe Frankfurt zusammen mit dem Netzwerk für faire Mode, Get Changed!. Olaf Schmidt, Vice President Textiles and Textile Technologies der Messe Frankfurt, erklärt: „Wir legen hierbei zum einen Wert auf die Produktionsbedingungen, also wo und wie produziert wird, zum anderen achten wir auf die genutzten Materialien und Siegel wie GOTS – denn alle unsere Aussteller wirtschaften sowohl ökologisch als auch sozial. Ebenso spielt Transparenz innerhalb der Lieferkette eine wichtige Rolle, worüber wir auf den kommenden Messen in Vorträgen und Diskussionsrunden informieren.“
Mindestens 70 Prozent der jeweiligen Kollektion müssen diesen Kriterien entsprechen, damit sie sich bei der Ethical Fashion Show zeigen darf – die meisten Kollektionen erfüllen sie jedoch sogar zu 100 Prozent!
Um die Wertschöpfungskette vom Produzenten über die Händler bis zum Käufer in den Fokus zu rücken, steht die Ethical Fashion Show in diesem Jahr unter dem Motto „Soziale Verantwortung“. Im Rahmenprogramm der Fachmesse finden Diskussionsrunden und Vorträge statt, bei denen Akteure aus Industrie, Handel und Politik etwa die wahren Kosten der Baumwolle oder die Folgen des globalisierten Freihandels erörtern und sich an Lösungsansätze für eine faire Fashion-Industrie wagen. Die grüne Berliner Modeszene hat kein geringeres Ziel, als die Textilindustrie zu revolutionieren: vom Moloch zum Handwerk, von Quantität zu Qualität.
Zudem denken die neuen Ökodesigner auch in die Zukunft, experimentieren mit neuen Stoffen wie veganer „Seide“ aus eingeschmolzenen PET-Flaschen oder Stoffblusen aus Bambusfasern. Viele teilen die Idee, dass die Produktion von Kleidung kein Leid verursachen darf. Große Modeketten bringen nahezu monatlich neue Kollektionen auf den Markt, um kontinuierlich Begehrlichkeiten zu wecken und die Fast Fashion noch schneller und dadurch ökonomischer zu machen.
Bereits 2008 prägte Kate Fletcher, Professorin für Nachhaltigkeit, Mode und Design in London, den Begriff „Slow Fashion“ für die Gegenbewegung zur Fast-Fashion-Mentalität, die derzeit den Modemarkt bestimmt. „Fast Fashion“ steht für den rasanten Modezyklus mit seiner Wegwerf/Neukauf-Mentalität, Billig- und Massenproduktion und deren schädlicher Wirkung auf Mensch, Umwelt und Klima.
Ähnlich wie bei der Slow-Food-Bewegung bedeutet Slow Fashion bewussten Konsum: Entschleunigung, Wertschätzung, Qualität statt Massenware, das Erzeugnis in seinem Gesamtzusammenhang sehen, die Bevorzugung ökologischer und fairer Produkte möglichst von lokaler Herkunft. Tauschen, teilen, weitergeben statt wegwerfen sind Prinzipien der weltweiten Slow-Fashion-Bewegung.
Doch Preise von 15 Euro für eine Jeans oder 3,50 Euro für ein T-Shirt sind nur unter billigsten Produktionsbedingungen möglich. Dem Prinzip „Wegwerfen und neu kaufen“ setzen Berliner Labels wie Lillika Eden ihre Mode entgegen. Ihre Philosophie ist, dass „etwas Schönes nicht aus hässlichen Bedingungen entstehen darf“. Ihre Kleidung ist vegan, besteht aus biologisch hergestellten Stoffen und wird mitten in Berlin geschneidert.
Hinter Lillika Eden stecken Modedesignerin Julia Muthig und Daniel Schmidt. „Mein Paradies der Modewelt wäre, dass jeder, der an der Herstellung von Mode beteiligt ist, also von der Stoffherstellung über das Design bis hin zur Produktion, seine Arbeit mit Freude machen und davon gut und erfüllt leben kann. Dass niemand dafür leiden oder gar sterben muss“, erklärt Labelgründerin Muthig ihre Vision. „Mode sollte einfach Spaß machen und nicht auf Kosten von Menschen, Umwelt oder Tieren entstehen.“
Wie vielen anderen Berliner Modemachern geht es für Muthig und Schmidt um die bewusste Entscheidung für ein langlebiges Kleidungsstück statt um den schnellen Konsum. Ethisch und ökologisch vertretbare Mode ohne erhobenen Zeigefinger – das ist auch der Ansatz des Taschenlabels Abury, das Stil mit Wohltätigkeit und konkreter Hilfe verbindet. Abury-Designer arbeiten projektweise in Marokko mit Kunsthandwerkern zusammen an neuen Kollektionen. Ein Teil des Erlöses aus jeder Tasche wird für den Aufbau von Brunnen, Infrastruktur und Bildungseinrichtungen für Frauen in Marokko gespendet. Firmengründerin Andrea Kolb erklärt ihr Konzept so: „Ich nenne es social and sexy. Wer will schon schöne Dinge mit Moral – ich denke, wir müssen uns im Social- und Eco-Bereich frei machen von zu viel Moral und lieber die positiven Komponenten kommunizieren: einfach mit Lebenslust leben, positiv denken, dann kann man eigentlich schon gar nicht mehr viel anders als ganz natürlich nachhaltig handeln“.
Bei so viel Engagement scheint Berlin auf dem Weg zur Hauptstadt der grünen Mode vorerst nicht zu stoppen zu sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen