: Harsche Kritik am Wohnungsbau
Wohnungsbau Die Mitglieder des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungs-unternehmen planen bis Mitte der 20er Jahre 70.000 neue Wohnungen
von Stefan Alberti
Aus der Wohnungswirtschaft gibt es heftige Kritik an der geplanten Verschärfung der Mietpreisbremse und den damit verbundenen weiteren Vorgaben. „Das ist für die Wohnungsunternehmen schlicht überflüssiger Aufwand“, urteilt die Chefin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), Maren Kern, über die angestrebte Pflicht von Eigentümern, von sich aus über die Vormiete zu informieren. Sie sieht zudem Probleme mit dem Datenschutz. Zur angestrebten Kappung der Miete bei 40 Prozent des Haushaltseinkommens sagte sie am Mittwoch vor Journalisten: „Das ist alles gar nicht zu Ende gedacht.“
Kern äußerte sich bei der Jahrespressekonferenz ihres Verbands. Tags zuvor hatte der rot-schwarze Senat eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die die bislang nach überwiegender Einschätzung nicht funktionierende Mietpreisbremse nachbessern soll. Vorgesehen ist, dass die Wohnungsmiete bei Neuvermietung nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Miete liegen darf. Neumieter oder Interessenten haben schon in der bisherigen Fassung der Bremse Anspruch, die Höhe der Vormiete zu erfahren, müssen das aber vom Eigentümer einfordern. Das aber machen offenbar viele nicht, um nicht das Verhältnis zu dem neuen Vermieter zu belasten. Darum soll dieser künftig von sich aus informieren müssen.
Kerns Kritik an der geplanten Verschärfung ging einher mit einer generellen Kritik an der Wohnungspolitik des Senats: Aus ihrer Sicht sind etwa die Bauämter in den Bezirken der Stadt weiterhin weder von der Mitarbeiterzahl noch von ihrer Qualität her ausreichend besetzt, um das Tempo des angestrebten intensiven Wohnungsbaus nicht zu behindern.
Technische Probleme bei der Digitalisierung seien dafür verantwortlich – da hänge Berlin „bestimmt ein Jahrzehnt hinterher“. Dieses Defizit sieht Kern bestätigt durch Mankos auf anderen Gebieten. Beispiele sind etwa die angebliche Gefährdung der Abgeordnetenhauswahl durch Softwareprobleme und die zwischenzeitlich chaotischen Zustände am Landesamt für Gesundheit und Soziales.
Die BBU-Chefin drängte darüber hinaus den Senat, seine Planung von 10.000 zusätzlichen Wohnungen jährlich auf 20.000 zu erhöhen – den Bedarf, den der Wohnungswirtschaftsverband für Berlin angesichts eines Wachstums um jeweils 40.000 Einwohner jährlich sieht, ohne dass dabei die mehreren Zehntausend Flüchtlinge in der Stadt eingerechnet sind. Ein Drittel davon muss das Land aus Kerns Sicht fördern, um zu aus ihrer Sicht bezahlbaren Mieten von 6,50 Euro pro Quadratmeter zu kommen.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) vertritt 350 landeseigene, kommunale, private, kommunale, kirchliche und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen. 140 davon sind in Berlin, denen rund 660.000 und damit etwa 40 Prozent der hiesigen Mietwohnungen gehören, mit einer Durchschnittsmiete von 5,60 Euro pro Quadratmeter – 24 Cent unter dem stadtweiten Mittelwert.
Der BBU ist nach eigenen Angaben damit größter und ältester Wohnungsverband in Ostdeutschland. Nach Verbandszahlen wollen die Berliner BBU-Unternehmen 2016 fast 50 Prozent mehr investieren als 2015, als sie bereits 24 Prozent über dem Vorjahreswert lagen. Konkret sind das fast 2,3 Milliarden Euro: Mehr als eine Milliarde für Neubau und jeweils rund 600 Millionen für Instandsetzung und Sanierung. (sta)
Kern verwies darauf, dass der Leerstand in den 140 Unternehmen ihres Verbands so gering wie seit 20 Jahren nicht sei, obwohl man so viel in Neubau investiere wie noch nie. Lediglich 1,7 Prozent der BBU-Wohnungen in Berlin stünden leer, wobei sich die Quote innerhalb der Bezirke zwischen 3 Prozent in Schöneberg und 0,8 Prozent in Lichtenberg bewegt. Laut Kern liegt allerdings selbst dieser niedrigste Wert im Ostbezirk noch über den Leerstandsquoten in Hamburg, München und Frankfurt am Main.
Unterm Strich forderte Kern einen „Paradigmenwechsel für den Neubau an“. Dazu gehören für sie schnelleres Bauen, geringere Baukosten – auch durch die Reduzierung staatlicher Vorgaben für Dämmung oder Brandschutz – und günstigeres Bauland für Investoren. Und das vom Senat eingeführte sogenannte Konzeptverfahren, wonach landeseigene Grundstücke nicht nach der Höhe des Gebots, sondern nach der Nutzung mit der größten Breitenwirkung zu vergeben sind, funktioniert aus Kerns Sicht „gar nicht“. Der Grund sei, dass eine Entscheidungsdauer von zwei Jahren pro Grundstück zu lang sei.
Kern kritisierte auch den Mangel an Bereitschaft der bereits mit Wohnungen Versorgten, Neubau in der Nachbarschaft zu akzeptieren: „Die Devise ,Not in my backyard‘ ist in Berlin weiter en vogue.“
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