: Dann kommt die Kita eben zum Kind
Flüchtlinge Auch Kinder von Geflüchteten haben Anspruch auf Kita-Plätze, auch wenn viele davon gar nichts wissen. Um den Einstieg zu erleichtern und fehlende Plätze zu kompensieren, ist in Bremen nun eine mobile Kita unterwegs
von Jenny Häusler
Mit seinem neuen „Kita-Mobil“ bietet der Bremer Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen seit Kurzem eine Betreuung in Bremer Flüchtlingsunterkünften an. An zwei Tagen in der Woche fährt das Mobil zu den vier Übergangswohnheimen in Bremen-Mitte, Tenever, zu den Häfen und in die Überseestadt.
Was auf den ersten Blick nach einer Serviceleistung aussieht, hat dramatische Gründe: Laut der Evangelischen Kirche ist es für die neu angekommenen Familien in Deutschland schwierig, einen Kita-Platz für Ihre Kinder zu finden, da Plätze rar und die Eltern auch nicht mit dem verhältnismäßig komplizierten Bildungssystem in Deutschland vertraut sind.
Ein Recht auf Kita-Betreuung haben sie allerdings. Annette Kemp, Sprecherin der Bremer Senatorin für Kinder und Bildung, erklärt, auch Kinder von Flüchtlingsfamilien haben einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, wie er auch deutschen Kindern zusteht. Die einzige Voraussetzung ist, dass sie beim Einwohnermeldeamt gemeldet sind und einen Wohnsitz haben. Der konkrete Bedarf ist derzeit kaum exakt zu bestimmen: Darüber, wie viele Flüchtlingskinder in Bremen gemeldet sind und wie viele von ihnen wiederum mit einem Kitaplatz versorgt sind, liegen Kemp keine Zahlen vor.
Ehrenamtliche Unterstützung und Projekte wie das Kita-Mobil sind derzeit die einzige Möglichkeit, den Kindern die Betreuung dann auch tatsächlich anbieten zu können. Zudem gebe es ein Pilotprojekt, bei welchem Flüchtlingskinder direkt in eine Bremer Kita integriert würden. Langfristig ist das auch das Ziel der Behörde. Kemp hält eine direkte Integration in den Kindergarten für sinnvoll, auch weil Kinder dort im Kontakt mit muttersprachlichen AltersgenossInnen schneller Deutsch lernen würden.
Bisher allerdings werden die Angebote laut Kemp von Geflüchteten nur spärlich angenommen und auch der Rechtsanspruch kaum eingefordert. Weil sie Angst davor hätten, ihre Kinder in fremde Hände abzugeben und weil ihnen das deutsche Betreuungssystem noch nicht vertraut sei.
Im neuen Kindergartenjahr wird sich die Situation verschärfen: Insgesamt werden in einigen Stadtteilen, vor allem in der Vahr, in Osterholz und in Walle, ab dem Sommer Krippen- und Kindergartenplätze fehlen. Laut Bildungssenatorin stehen nicht alle der insgesamt 4.800 Krippenplätze zur Verfügung. Auch bei den unter Dreijährigen ist die Lage eng: Auch der Bedarf an Kita-Plätzen werde mit 14.500 nicht komplett gedeckt. Dieser Engpass liege daran, dass mehr Kinder geboren und mehr Familien nach Bremen gekommen seien als geplant, sagt die Behörde.
Carsten Schlepper, Leiter der Verbandes Evangelischer Tageseinrichtungen, erklärt, das Kita-Mobil diene nun als „fahrender Kindergarten“, um den Kindern eine Tagesstruktur zu geben und ihre Integration zu unterstützen. Drei Erzieherinnen sollen den Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren für jeweils vier Stunden ein Programm bieten, welches den Kindern spielerisch die neue Sprache näherbringen und sie darüber hinaus dann auch auf ihren späteren regulären Kindergartenbesuch vorbereiten soll.
„Durch das regelmäßige Spielen und Lernen zusammen in einer Gruppe wird den Kindern ein respektvolles Miteinander vermittelt“, sagt Schlepper. Es solle ein friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen und Religionen unterstützt werden.
Eltern hätten dadurch außerdem AnsprechpartnerInnen vor Ort, um sich weiter über das Bildungssystem in Deutschland informieren zu können sowie um konkrete Hilfe zu bekommen, wenn es dann um die oft aufwendigen Bewerbungen um Kitaplätze geht.
Das Angebot ist für die Familien kostenlos. Getragen werden die Kosten von jährlich 100.000 Euro Kosten für das Projekt von der Bremischen Evangelischen Kirche, mit Unterstützung der Sozialsenatorin und der deutschen Fernsehlotterie. Unterwegs ist das Kita-Mobil zunächst für drei Jahre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen