Einen Pastis mit dem Honigkuchenpferd

DFB-TEAM Beim ersten Training reißt bei Antonio Rüdiger das Kreuzband, und bei der ersten Pressekonferenz in Evian reißt Bundestrainer Jogi Löw einen Witz über den Fußball-Bund

aus Evian Harriet Wolff

Marc Francina strahlt schon wieder wie ein Honigkuchenpferd, doch dazu später mehr. Es ist die erste Pressekonferenz der Deutschen im „Basecamp“, und der Evianer Bürgermeister wird von Jogi Löw bündig auf Französisch begrüßt. Löw hat heute eine graue Trainingshose zum türkisen Glanzshirt gewählt und tänzelt auf flotter Sohle und samt neuem DFB-Präsidenten Reinhard Grindel ins Medienzentrum. Aus dem Orgateam ist zu hören, dass Francina noch angedroht hatte, eine kleine Rede auf Englisch zu halten, doch, so heißt es, „er spricht nur drei Worte Englisch und versteht keins“.



Das Wort auf dem Podium hat deshalb als erster Grindel, der bis letzten Freitag auch noch CDU-Bundestagsabgeordneter war. Er versucht sich in Sachen Transparenz – was ja bisher nicht so üblich beim DFB gewesen sei. Und so macht Grindel eine schlichte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung bezüglich EM und DFB auf, die darin kulminiert, dass beim Erreichen des Finales die Spieler je 300.000 Euro Prämie bekommen und dann insgesamt 2 Millionen über bleiben würden. Löw wird später dazu noch einen Witz landen, als er zum Themenkomplex „Heruntergeschraubte Titelerwartungen wegen Verletzungspech“ anmerkt, dass „der DFB finanziell besser dasteht, wenn wir nach der Vorrunde ausscheiden“. 
Gelächter im Journalistenrund, und dann beruhigt Löw wie stets auf Badisch: „Esch ­ischt immer mal wieder was passiert – wir sind auf alle Eventualiäten vorbereitet.“



Obwohl – am Dienstag beim öffentlichen Probetraining ist dem Trainer schon die Muffe gegangen, als sich der „Toni“ Rüdiger nach einem Zusammenprall mit Müller das Kreuzband reißt, so zum Totalausfall der EM wird und nun von Jonathan Tah ersetzt werden muss. Marc Francina, Monsieur le Maire, hat da kurz zuvor schon mal gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd und an seiner Amtsschärpe in den Farben der Trikolore gezupft. „Ich bin sehr zufrieden, dass La Mannschaft Evian für ihr Training ausgewählt hat, bonne chance!“ Mit dem Mikro steht er auf dem Rasen des „Evian Thonon Gaillard Football Club“- Stadions, das fast 2.000 Sitzplätze hat und Flutlicht. Blick über den Genfer See ist inklusive, allerdings nicht für die Spieler. Drei Viertel der Karten sind an die Evianer Jugend vergeben. Und die johlt nach Kräften.

Die siebenjährige Céline hat darüber hinaus ihre weiße Plüschkatze als Maskottchen dabei – nein, sagt sie, „no problem“ mit der Security. DFB-Präsident Grindel bekommt derweil einen Tulpenstrauß in Schwarz-Rot-Gelb überreicht: „Danke! Tolle Gemeinde, tolles Hotel, tolles Stadion!“ Auf geht’s also und beim Warmlaufen grüßt nur Müller feixend. Die anderen drehen eher ferngesteuert ihre Runden. Liegestütz! Sané macht nur halbherzig mit und schielt, was die anderen so treiben. Das würde Götze nicht passieren, er will immer Klassenbester sein. Neuer steht derweil am Tor und riecht am Trikot – igitt, lange Trainingshosen im Sommer!

Und dann drängen plötzlich, bonjour la securité, massig Kinder nach vorn, weil die Spieler jetzt „ballons“ werfen. Nur Neuer hat dabei ein Lächeln auf dem Gesicht. Nach 75 Minuten ist alles vorbei, deutsche Fans waren fast keine da, und am Ausgang treffen wir wieder – Monsieur le Maire. „Fragen Sie mich nicht, wer der beste deutsche Spieler ist. Ich habe keine Ahnung.“ Seine Devise? „No sport, no foot.“

Darauf einen Pastis, und den trinken wir wenig später auf der Terrasse des „Hotel Royal“, wo man trotz Hochsicherheit ganz schlicht hineinspazieren kann. Grindel ist auch wieder da, er sitzt ein paar Tische weiter und ruft unüberhörbar in sein Mobiltelefon, dass er „sehr zufrieden“ mit seiner Suite hier sei, „nicht so groß wie beim Pokalfinale, aber völlig in Ordnung“. Und genießen könne man zurzeit gar nichts wegen des Kreuzbandrisses von Rüdiger. „Der arme Kerl“, sagt Grindel und da kommt auch schon der Pastis.