: Vielleicht doch mehr als Museum
Kommentar
von Stefan Alberti
Neue Debatte ums Schloss
Ich hoffe sehr, dass es Störmomente geben wird“, hat sich am Wochenende in der tazdie britische Museumswissenschaftlerin Sharon Macdonald für das Humboldt-Forum aka Schloss gewünscht. Alles andere lasse Berlin museal werden. Da muss also erst jemand von außen kommen und hiesigen schlosskritischen Gruppen sagen, dass sie mal (wieder) den Mund aufmachen sollen.
Ob es Macdonalds Weckruf war? Jedenfalls gibt es nun im Internet Aufrufe, die eine Aktion an der Baustelle ankündigen – eine fiktive WG, die mehrere hundert Mitbewohner für ein Großobjekt in zentraler Lage sucht. Dabei werden Investitionen von über 600 Millionen Euro für Tausende Quadratmeter umbauten Raums ins Verhältnis zur äußerst schwierigen Wohnungslage in Berlin gesetzt. Das lässt ein Stück weit außer Acht, dass Berlin in den nächsten Jahrzehnten Milliarden in Wohnungsbau stecken oder von seinen Wohnungsunternehmen stecken lassen will. Und dass der allergrößte Teil der Schlossbaukosten nicht aus dem Landeshaushalt, sondern aus der Bundeskasse bezahlt wird.
Ob nun intelligent oder populistisch: Dass es überhaupt wieder eine Debatte rund ums Schloss und seine Nutzung über die Feuilletonseiten und architektonische Aspekte hinaus gibt, ist ein guter Ansatz. Zu einer Agora sollte der Bau werden, hatten sich viele gewünscht, zu einer Wiederkehr der Schauplätze griechischer Volksversammlungen und Rededuelle. Zu einem Ort, an dem in der Mitte der Stadt – mit friedlichen Mitteln, ohne verbale wie sonstige Gewalt und auch ohne Tortenwürfe – drängende aktuelle Debatten geführt werden, wie es mit Berlin weitergeht.
Fehlende, vor allem bezahlbare Wohnungen sind ein solches Thema. Sie vor dem Hintergrund des Schlosses anzusprechen, kann einer der Störmomente sein, die Wissenschaftlerin Macdonald fordert. Sonst könnten doch jene recht behalten, die in dem Bau nichts anderes sehen als einen etwas repräsentativeren Ausstellungsort ganz netter, aber altbekannter Exponate.
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