: Mittenmang Musik
Pop Ein Ohr für die lokalen Talente, das andere für tanzbare Trancemusik aus Thailand: Mit dem Torstraßenfestival gibt es gute Gründe, sich mal wieder in Mitte umzuhören
von Andreas Hartmann
Berlin-Mitte ist bekanntlich schrecklich. Vollgestellt mit Flagship-Stores und Veganerläden, und dazu die passenden Leute. Und es wird alles noch schlimmer hier. Die Volksbühne, letzte Bastion des Widerstands gegen den Hauptstadtwahn, soll nach Frank Castorfs Abgang zum neuen Wahrzeichen des Letzteren umstrukturiert werden, glauben nicht wenige, und nebenan entsteht ein Schloss. Wenn das fertig ist, hilft dem Bezirk vielleicht nur mehr die Planierraupe. Fehlt noch, dass ins Ramones-Museum in der Nähe der Hackeschen Höfe eine neue Dauerausstellung mit ABBA-Utensilien einzieht.
Einmal im Jahr aber ist alles ein wenig anders in Mitte, ein bisschen wie früher vielleicht, als noch nicht jeder nach Neukölln ziehen wollte. Beim Torstraßenfestival, das jetzt zum sechsten Mal stattfindet, zeigt sich, dass es auch hier weiter ein paar annehmbare Läden wie das Bassy oder das Kaffee Burger gibt, die mit zu den acht Spielstätten gehören, die von dem Festival bespielt werden. Und noch beteiligt sich ja auch die Volksbühne an dem kleinen Mitte-Spektakel.
Angenehm ist dazu dieser Indiegeist, der das Festival umweht und der umso mehr ins Auge fällt, wenn man die Gigantomanie des neuen Festivals für die Hauptstadt, des Lollapalooza, das im September stattfinden wird, als Vergleich heranzieht. Megafestivals wie dieses brauchen ein paar Headliner wie Paul Kalkbrenner und Radiohead, um die Massen anzuziehen, und dazu werden halt noch irgendwelche weiteren Bands gebucht, um die Zeit herumzubringen.
Beim Torstraßenfestival dagegen ist jeder gleich viel wert, der ziemlich bekannte englische Post-Dubstep-Act Darkstar wird nicht größer angekündigt als der noch relativ unbekannte neuseeländische Singer-Songwriter Bannerman. Der Star ist hier nicht der Star, sondern das Festival selbst.
Das Torstraßenfestival versteht sich schon auch als Kiezfestival, mit einem musikalisch in recht unterschiedliche Richtungen strebenden Programm an acht Orten rund um und entlang der Torstraße vom Acud übers Kaffee Burger bis zur Z-Bar.
Im Programm will man sich „aufgeschlossen und immer ein paar Schritte abseits des Mainstreams“ zeigen, los geht es am Samstag um 14 Uhr, und am Sonntag gibt es einen Nachschlag mit dem „Super Sunday“-Konzert in der Volksbühne um 20 Uhr. Tickets jeweils 20 Euro, www.torstrassenfestival.de.
34 Liveacts lassen sich an diesem Wochenende in der Gegend rund um die Torstraße erleben, die meisten davon am Samstag, und man kann wieder sicher sein, dass ein paar interessante Sachen darunter sein werden, selbst wenn man von diesen vorher noch nie gehört hat. Das Trüffelschweinmäßige gehört schließlich mit zum Konzept der Veranstalter.
Norman Palm, einer von ihnen, der als Indiemusiker selbst bereits ein paar Platten veröffentlichte, habe gemeinsam mit Kollegen Monate damit zugebracht, auch noch unbekanntere Acts der hiesigen Szene zu checken, sagt er. Das Festival hat sich inzwischen einen Namen damit gemacht, diesen neuen Talenten der lokalen Szene, der mit großem Abstand vielfältigsten in Deutschland, eine Bühne zu geben. Aufgrund dieser Lust aufs Neue, so glaubt Palm, würden auch einige Vertreter kleiner Plattenfirmen anreisen. Das Torstraßenfestival wäre demnach auch ein kleiner Popkomm-Ersatz.
„Immerhin über die Hälfte unserer Künstler kommt aus Berlin“, sagt Palm – was immer das auch heißen mag in einer Stadt, in der eigentlich kaum jemand wirklich aus dieser kommt. „Unser Konzept ist, das besonders Naheliegende zu bringen“, meint Palm. Um dem gleich hinzuzufügen: „Und genauso das Seltene und Ungewohnte.“
Viel Berlin also. Aber auch viel was ganz anderes. AWA etwa, eine junge Rapperin aus Simbabwe, deren Namenskürzel für African Women Arise steht.
Oder The Paradise Bangkok Molam International Band aus Thailand mit ihrer flirrenden und extrem tanzbaren Psychedelic-Exotica. Kedr Livanskiy, eine junge Elektronikproduzentin aus Moskau, wird beim Torstraßenfestival außerdem erstmals in Deutschland auftreten, was Norman Palm besonders freut, wie er sagt.
Das Wetter werde übrigens gut sein an diesem Wochenende, glaubt er. Kein Regen, kein Woodstock-Wetter, das einem den Weg zu den Konzerten beim Clubhopping vermiesen könnte. Palm sagt: „Ich bau’ auf Sonne.“
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