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Ein Fall für zwei

Herdanziehung Stangenware vom Feinsten: Spargel und Erdbeeren werden im Salat zum Dreamteam der Saison. Die Schalen kommen in Suppen und Saucen

von Denny Carl

Eines der wundervollen Dinge des Frühlings ist, dass er sein blaues Band um kleine Bündel weißen Spargels schnürt. Fliegende Händler säumen hernach in dichter Frequenz die Wegränder selbst der entlegensten Winkel und bieten die Delikatesse aus Beelitz oder Kremmen meist im Direktvertrieb feil. Vor­ausgesetzt, dass ihr Handelsplatz nicht schon von einer gigantischen Blechbeere besetzt wurde, die ihrerseits mit dem Verkauf der ersten Erdbeeren des Jahres daran erinnern möchte, wie fad der Winter war. Ein harmonisches Nebeneinander von Spargel- und Erdbeerverkäufern ist jedoch möglich. So ein Frühlingsfest der Sinne gipfelt meist in lustgetriebener ­Konsumbereitschaft. Dann steht man da: ein Kilo Spargel in der linken Hand, ein Körbchen Erdbeeren in der rechten, dazwischen ein Kopf, der grübelt, wie man die beiden Köstlichkeiten miteinander kombinieren könnte.

Nicht einfach. Ein Erdbeerkuchen kann seinem Portionierer die Arbeit zwar erleichtern, wenn die vorgesehenen Schnittstellen mittels eingearbeiteter Spargelstangen markiert sind. Doch finden die exakt gleich großen Stücke so noch Abnehmer? Und Spargel statt Löffelbiskuits im Fundament eines Erdbeer-Tiramisus? Auch dafür lassen sich Gegenargumente finden.

Es gibt etwas, das zeigt, wie gut die beiden miteinander können. Wer die doppelte Dosis Frühling auf einem Teller möchte, kommt um einen Spargel-Erdbeer-Salat nicht herum. Dazu wird der Spargel zunächst entkleidet. Angesichts der vergleichsweise hohen Preise für weißen Spargel – es gibt kein anderes Gemüse, das mehr Geld pro Quadratmeter aus dem märkischen Sand holt – gelten die Schalen noch immer als wertvoller Rohstoff für Suppen, Saucen und aparte Zweitfrisuren. Selbst Spargel, der nicht vom Öko-Hof kommt, trägt angeblich kaum unappetitliche Agrarchemie im Schutzmantel. Natürlich gibt es Zeitgenossen, die das ignorieren. So wie kürzlich ein älterer wütender Herr, der von den Kochplänen seiner Gattin erfahren haben muss und ihr mit den Worten „Dit is nich mehr Fümmunnfürzich!“ lautstark zu verstehen gab, dass er nicht gewillt sei, Abfälle zu verzehren. Seitdem werde ich das Gefühl nicht los, dass er wild schnaubend neben mir steht, sobald ich den Spargelschäler auch nur berühre.

Das Thema Kochsud für Spargel wird weniger kontrovers diskutiert: Wasser, Salz, Butter, Zitrone und Zucker sollten ins Kochgeschirr. Weißer Spargel verbringt darin etwa 15 Minuten. Grüner Spargel, der als optischer und geschmacklicher Reiz gern mit in den Salat darf, steigt erst 5 Minuten später dazu.

Zu mundgerechten Stücken zerkleinert, sollte man dem Spargel nun 30 Minuten Zeit geben, um sich mit der Marinade bekannt zu machen. Diese besteht aus geschmacksarmen bis mild-nussigen Ölen, weißem Balsamico und Himbeer- oder Sherryessig. Erst beim Anrichten kommen die halbierten Erdbeeren dazu. Für noch mehr geschmackliche Bandbreite können Feldsalat, Rauke oder Kräuter wie Kresse und Basilikum sorgen.

Leichte Säure trifft Süße

In der Pfanne vorsichtig geröstete Pinienkerne, rosa Pfefferbeeren und ein paar Parmesanspäne bilden den Abschluss dieser Vorspeise. An Tagen, die sich von Meteorologen den Vorwurf gefallen lassen müssen, zu warm für die Jahreszeit zu sein, avanciert der Salat zu einer erfrischenden und leichten Hauptspeise.

Noch Stunden nach dem Genuss wird man an dieses tolle Spiel zwischen der leichten Säure des marinierten Spargels und der Süße der Erdbeeren denken. Spätestens dann, wenn der an Besonderheiten ohnehin nicht arme Spargel eine olfaktorische Eigenart im Rahmen eines WC-Besuchs präsentiert.

Übrigens: Wer einen spontanen Erfahrungsaustausch über „süße, wohlbekannte Düfte“ dieser Art aus den Niederungen peinlichen Gekichers her­ausführen möchte, sollte ein Kurzreferat mit folgenden Schwerpunkten erwägen: Asparagusinsäure rein, enzymatische Spaltung an, schwefelhaltige Verbindungen jedweder Couleur raus.

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