heute in Bremen-Nord
: „Eine deutliche Schieflage“

BREMEN-NORD In Vegesack wird über den Niedergang des Stadtteils debattiert

Ingo Schierenbeck

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geboren 1957, ist Jurist und Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer in Bremen

taz: Hat Bremen-Nord eine Zukunft, Herr Schierenbeck?

Ingo Schierenbeck: Ja, sie muss nur genutzt werden! Und ich sage das nicht nur aus opportunistischen Gründen. Bremen-Nord hat mit seiner Lage am Wasser, 31.000 Arbeitsplätzen und mehr als 110.000 Bewohnern in der Vergangenheit bewiesen, ein attraktiver Standort zum Arbeiten und Leben zu sein. Er hat eine günstige Verkehrsanbindung, genügend Gewerbeflächen und attraktive Wohngegenden.

Aber auch viele wirtschaftliche und soziale Probleme.

Ja. Bremen-Nord ist mittlerweile abgehängt von der Entwicklung in Bremen und Bremerhaven: Die Zahl der Arbeitsplätze ist in den letzten Jahren massiv gesunken, auch die Bevölkerungszahl sinkt. Und das durchschnittliche Einkommen in Bremen-Nord liegt deutlich unter dem in der Stadt Bremen. Hier ist mittlerweile eine deutliche Schieflage entstanden.

Lange Zeit hat man in Bremen-Nord auf Tourismus gesetzt. Doch die „Maritime Meile“ ist inzwischen so gut wie tot.

Bremen-Nord ist sicher auch für Tagestouristen und als Naherholungsgebiet interessant. Aber eine nachhaltige Beschäftigungsentwicklung geht vom Tourismus in Bremen-Nord nicht aus. Man hat dort in der Vergangenheit zu sehr auf einzelne Leuchtturm-Projekte gesetzt.

Was raten Sie stattdessen?

Besser ist es, auf eine kleinteiligere Entwicklung zu setzen und bei der Vermarktung der Flächen darauf zu achten, dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zur Zahl der Jobs stehen, die dort geschaffen werden. Außerdem sollte Bremen-Nord stärker auf die vorhandene Kompetenz in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft sowie in der maritimen Produktion im Umfeld des Maschinenbaus und Werften setzen. Auch die strukturelle Bedeutung der Jacobs-Universität müsste noch besser genutzt werden.

Wie könnte das aussehen?

Die Jacobs Universität darf keine Alleinstellung im Stadtbezirk inne haben. Denn wissensbasierte Dienstleistungen sind der Jobmotor der letzten Jahre gewesen. Und da muss die Kompetenz der Jacobs Universität noch besser genutzt werden, um die örtlichen Unternehmen zukunftsfähig zu machen. Bisher hat die Jacobs Universität in Bremen-Nord noch zu wenig strukturpolitische Ausstrahlung.

Interview: Jan Zier

19 Uhr, Hotel Strandlust, Vegesack