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„Andere Länder nahmen Deutsche auf“

MIGRATION Ab Montag widmet sich eine Veranstaltungsreihe dem Thema Flucht. Schirmherrin der „Tage des Exils“ ist die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller

Foto: privat
Sven Tetzlaff

51, Historiker, leitet seit 2008 den Bereich Bildung bei der Körber-Stiftung, seit 2011 ist er geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Herbert-und-Elsbeth-Weichmann-Stiftung.

Interview ANNA DOTTI

taz: Herr Tetzlaff, warum ist es wichtig, sich mit dem Exil zu beschäftigen?

Sven Tetzlaff: In der Veranstaltungsreihe sprechen wir über Exil und Flucht gleichermaßen. Wir wollen den großen Kontext sichtbar machen. Das Exil spielt in Deutschland historisch gesehen eine sehr große Rolle. Aber es geht auch um die Situation der Länder, aus denen die Menschen heute fliehen müssen.

Inwiefern betrifft das Thema denn auch die Deutschen?

Ein großer Teil der Weimarer Kulturschaffenden ist in den 20er- und 30er-Jahren ins Exil gegangen. Diese Menschen mussten fliehen, weil sie hierzulande verfolgten wurden – weil sie jüdischer Abstammung, Sozialdemokraten oder Kommunisten waren. Sie hatten die Möglichkeit, im Ausland Fuß zu fassen – und sind zum Teil auch nicht mehr nach Deutschland zurückgekommen. Wir wollen daran erinnern, dass andere Länder in der Vergangenheit Deutsche aufgenommen, ihnen eine neue Heimat gegeben haben.

Kann diese Erfahrung bei der Aufnahme von Flüchtlingen helfen?

Die Geschichte muss sichtbar sein, um nutzbar zu werden. Wir bringen die Erfahrungen der Geflüchteten mit dem besonderen Blick auf Gemeinsamkeiten ins Gespräch. Es ist wichtig zu verstehen, warum die Leute ihre Heimat verlassen mussten, aber auch, wie man es diesen Menschen leichter machen kann, an einer fremden Gesellschaft Teil zu haben.

Bietet Deutschland Migranten eine Heimat?

In gewissem Maße schon. Einige von den deutschen Exilierten sind als Emigranten zurückgekehrt. Sie haben den Staat wiederaufgebaut. Ein Paradebeispiel dafür ist Herbert Weichmann, der als Jude verfolgt worden war. Nach mehreren Flucht-Stationen kam er in Amerika an. Nach dem Krieg hat er sich entschieden, wieder nach Hamburg zu kommen – um die Demokratie neu aufzubauen. Er ist dann Bürgermeister geworden.

In welcher Form stellen Sie dieses weit gefasste Thema dar?

„Tage des Exils“ besteht aus einem sehr vielfältigen Programm. Wir wollen auf diese Art und Weise ein breites Publikum erreichen und nicht nur Wissenschaftler, die sich ohnehin schon mit dem Thema beschäftigen. Es gibt Angebote für alle: Filme, Lesungen, Stadtrundgänge, Foto-Ausstellungen und Vorträge. Einige Veranstaltungen kosten nicht mal Eintritt.

Wie ist es Ihnen gelungen, so ein umfangreiches Programm auf die Beine zu stellen?

Die Idee ist in der Herbert-Weichmann-Stiftung entstanden. Sie bezog sich zunächst aber vor allem darauf, die Angebote sichtbar zu machen, die es in Hamburg zu dem Thema schon gibt. Im Rahmen unseres Programms öffnet eine ganze Reihe von Universitätsinstituten und Forschungseinrichtungen. Es ist auch das erste Mal, dass es eine solche koordinierte Zusammenschau von Aktivitäten in Hamburg gibt – das ist schon ein schönes Ergebnis von „Tage des Exils“.

Wer ist alles involviert?

Die Walter-Berendsohn-Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur, eine sehr wichtige, einzigartige Forschungseinrichtung in Deutschland, macht mit. Auch das Institut für die Geschichte der deutschen Juden nimmt teil – da spielt das Thema Emigration und Exil auch selbstverständlich eine zentrale Rolle. Zudem sind Organisationen involviert, die ganz aktuell mit Flüchtlingen umgehen, beispielsweise die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.

„Tage des Exils“: 23. Mai bis 5. Juni, diverse Veranstaltungsorte

www.tagedesexils.de

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