piwik no script img

Sweet Home Sahara

Tuareg-Rock Auf der Spur von Tinariwen, mit neuen Perspektiven: Imarhan aus Algerien kommen ohne Folklorefimmel

von Thomas Mauch

Jetzt ist es doch so, dass es dem Indierock nicht wirklich gut geht und er deswegen ruhig mal wieder gerettet werden muss. Weil der Rock halt allgemein nicht mehr prominentestes Role-Model im Popgeschäft ist, und im Speziellen es dieses Alles-schon-mal-gehört-Syndrom gibt im handelsüblichen Indierock. Eine hübsch sortierte Ödnis. Da darf die Aufregung gern auch mal aus der Wüste kommen.

Was man bei den einschlägigen Indierocklabels durchaus mitbekommen hat. Gern schmücken sie sich mittlerweile mit Bands aus dem Maghreb. Auch das Berliner Indielabel City Slang hat jetzt mit Imarhan eine Band aus Algerien im Programm. Gerade ist deren schlicht „Imarhan“ betiteltes Debütalbum erschienen.

Darauf hört man eine gelassen vor sich hinspielende Musik im sanft wiegendem Rhythmus. Man spürt ein warmes Gefühl für Pop und sehnsüchtige Melodien, man freut sich an prägnanten Gitarrenlicks, wie sie auch ein Mark Knopfler aus dem Handgelenk zu schütteln weiß. Wobei sich die Knopflers von Imarhan noch etwas mehr Gelassenheit gönnen bei ihrer freundlich blinzelnden Musik, die an die schönsten Momente des frühen Southern Rock erinnert, neu verortet. Das ist hier eben ein „Sweet Home Sahara“, mit ruhig atmenden Liedern und einem schmeichelnden Gesang, dass neben den Indierockhörern durchaus auch die Chanson-Fans an dem Sound aus der Wüste Gefallen finden sollten.

Und wenn die Band das Tempo mal etwas anzieht und den Wüsten-Blues zu einer Art Wüsten-Funk zuspitzt, klingt der natürlich etwas anders als ein James Brown. Weil man in Algerien halt doch anders schwitzt.

Die Musiker von Imarhan stammen aus Tamanrasset, einer Oasenstadt im Süden von Algerien, mitten in der Sahara. Wobei man Tamanrasset wohl als Epizentrum des Tuaregrock bezeichnen muss, weil sich hier auch Tinariwen gefunden haben, die Pioniere dieses speziellen Wüstenrocks in der Verschmelzung von Rock mit traditionellem Tuaregfolk.

Mit Tinariwen gibt es bei Imarhan schon deswegen eine enge Beziehung, weil deren Frontman Sadam ein Cousin von Eyadou Ag Leche von Tinariwen ist. Und es gibt eigene Wege. So ist es Imarhan gar nicht so wichtig wie den Tuaregrock-Kollegen von Tinariwen oder Tamikrest, ekstatisch in Richtung Trance zu spielen. Sie suchen mit den wehmütigen Melodien andere Formen von hypnotischen Stimmungen.

Und, ein wirklich augenfälliger Unterschied: Im Gegensatz zu anderen Tuaregbands tragen Imarhan keine Kaftans und sonstige traditionelle Tuaregkleidung, sondern kommen schlicht in Jeans und T-Shirt auf die Bühne. Weil sie, wie sie sagen, keine Folkore-Tanzgruppe sind. Sondern einfach eine Rockband. Die auch ohne den exotischen Kitzel der bunten Tücher bestens funktioniert.

Konzerte: 24. 5. Hamburg, 25. 5. Potsdam, 28. 5. München, 29. 5. Dresden, 30. 5. Düsseldorf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen