: Das Vertrauen ist endgültig futsch
EU Die TTIP-Leaks verschrecken Brüssel. Denn: Sie zeigen, wie schwach die Position der Europäer ist
Reinhard Bütikofer, Die Grünen
In Wahrheit sind die Enthüllungen in Brüssel eingeschlagen wie eine Bombe. Nach dem Besuch von US-Präsident Barack Obama vor einer Woche würden endlich die Befürworter von TTIP die Oberhand gewinnen – so hatten viele in der US-Behörde gehofft. Stattdessen müssen sie sich nun schon wieder rechtfertigen.
Als erste versuchte es Cecilia Malmström, die für TTIP zuständige Handelskommissarin. „Mein Job ist es nicht, Standards zu senken“, entgegnete die EU-Handelskommissarin auf den Vorwurf, sie könnte vor mächtigen US-Lobbyisten einknicken. „Kein EU-Handelsabkommen wird jemals die Standards bei Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit oder Umweltschutz absenken“, betonte die Kommissarin.
Danach trat Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero vor die Presse. Die geleakten Verhandlungspapiere seien unvollständig und außerdem falsch interpretiert worden, sagte Bercero. Es sei nicht richtig, dass die Amerikaner forderten, die Europäer müssten künftig Genfood made in USA konsumieren. „Das Vorsorgeprinzip steht nicht zur Verhandlung“, fügte er hinzu.Die gereizten Reaktionen zeigen, dass die Leaks die EU ins Mark getroffen haben. Vor allem für Malmström sind sie ein schwerer Schlag. Schon bisher hatte die Schwedin Mühe, den Spagat zwischen einem misstrauischen Publikum in Europa und einem aggressiven Verhandlungspartner in Amerika zu schaffen.
Durch die Leaks sehen sich nicht nur die TTIP-Gegner in ihrem Misstrauen bestätigt. Die Veröffentlichung geheimer Dokumente sei auch geeignet, das Vertrauen der Amerikaner zu zerstören, heißt es hinter vorgehaltener Hand in Brüssel.
Schließlich haben die US-Diplomaten TTIP von Anfang an „top secret“ behandelt. Solange sie noch über das transpazifische TPP-Abkommen verhandelten, wollten sie sich nicht in die Karten schauen lassen. Nun, da TPP fertig ist, möchten sie nicht über das hinausgehen, was mit den Pazifikstaaten vereinbart wurde.
Dass dies nun öffentlich ist, ist auch für die EU peinlich. Schließlich haben die Europäer immer beteuert, sie wollten mit TTIP einen weltweit gültigen „Goldstandard“ festlegen.
„Die Kommission ist offenkundig keine vertrauenswürdige Sachwalterin europäischer Interessen“, kritisiert der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer. Die Behörde sei nicht stark genug – „nicht beim Thema Schiedsgerichte, nicht bei der regulatorischen Zusammenarbeit, nicht beim Schutz guter Standards“.
Alarm schlägt auch der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD). Was jetzt bekannt geworden sei, sei „keine Basis für ein gutes Abkommen“. Dass die Verhandlungen wie geplant noch unter Obama abgeschlossen werden, sei deshalb „illusorisch“. Eric Bonse
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