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In Namen des Staates

Comicverfilmung Captain America gegen die Weltgemeinschaft: „The First Avenger: Civil War“ wirbelt alle Gewissheiten über Superhelden durcheinander

von Fabian Tietke

1991: Kälte und Schnee. Kyrillische Buchstaben auf der Nummerntastatur der Militärbasis. Zu Beginn verschlägt uns der neueste Marvelfilm „The First Avenger: Civil War“ in die Comicversion des Zerfalls der Sowjetunion. Festgeschnallt auf einem Stuhl sitzt Bucky Barnes, ehemals bester Freund von Steve Rogers/Captain America. Ein Mann in sowjetischer Uniform liest aus einem roten Buch mit rotem Stern darauf Wörter vor, die gemeinsam eine Art Code ergeben, um Barnes in eine menschliche Tötungsmaschine zu verwandeln. Barnes windet sich unter Schmerzen.

Nach dem zweiten Captain-America-Film „The Return of the First Avenger“ vor zwei Jahren gaben Captain America, Black Widow und ihr Mitkämpfer Falcon vergangenes Jahr ein Gastspiel in einem weiteren Abenteuer des Marvel-Universums: „Avengers: Age of Ultron“. Nun folgt mit „The First Avenger: Civil War“ der dritte Captain-America-Film. Er führt die Hintergrundgeschichte von „Avengers: Age of Ultron“ fort und greift zugleich die Fäden aus „The Return of the First Avenger“ auf.

Diesmal hat die Weltgemeinschaft (nachdem die Herren und Damen in Spandex erhebliche Teile der Welt in Klump gehauen haben) die Faxen wirklich dicke und will das Superhelden-All-Star-Team Avengers und Captain America einem internationalen Abkommen unterstellen. Notgedrungen willigen fast alle der Avengers ein. Alle außer Captain America (Chris Evans).

Ideologischer Held

Wie keinen anderen Superhelden begleitet Captain America der innere Ballast, ein staatlich geschaffener und durch und durch ideologischer Superheld zu sein; wie in keinem anderen Erzählstrang des Marvel-Universums geht es in den Captain-America-Filmen um das Verhältnis zu den staatlichen und transnationalen Institutionen: Was ist für einen Superhelden in seinem Tun das ethisch Richtige? Wie soll man die Ideale des Staats gegen diesen verteidigen?

„Die Welt ist ein verletzbarer Ort und wir haben mitgeholfen, sie dazu zu machen. Aber wir sind auch diejenigen, die sie am besten verteidigen können. Wenn Sie mich also festnehmen wollen, dann tun Sie das. Sie wissen ja, wo Sie mich finden.“ Mit diesem Satz beendete Natascha Romanoff/Black Widow (Scarlett Johansson) vor zwei Jahren eine lästige Anhörung in einer Untersuchungskommission am Ende des zweiten Captain-America-Films „The Return of the First Avenger“. Kurz darauf drückte Romanoff Steve Rogers eine auf Russisch beschriftete Akte in die Hand, die den Werdegang von Bucky Barnes – von Steve Rogers’bestem Freund zum Winter Soldier, dem Superhelden in Händen der superbösen Superorganisation Hydra – enthält.

„The First Avenger: Civil War“ hat diese Akte nun aufgeschlagen und führt zurück in die Vorgeschichte des Winter Soldiers. Als sich die Diplomaten der Welt in Wien versammeln, um das Abkommen zu ratifizieren, versinkt auch das Tagungsgebäude standesgemäß in Trümmern. Schnell fällt der Verdacht auf den Winter Soldier.

Noch besser wäre gewesen, wenn es ein Konzept für den bösen Strippenzieher gegeben hätte

Zwei Lieblingsschwiegersöhne haben in diesem Kuddelmuddel miteinander ringender Superhelden, das sich langwierig durch den Film zieht, einen Gastauftritt. Martin Freeman als Chef-Geheimdienstler Everett Ross und Daniel Brühl als Bösewicht Helmut Zemo. Brühl hätte man für das Grimmigdreingucken ruhig eine Gesichtsmaske geben können. So sieht das, was er seiner Gesichtsmuskulatur abverlangt, um böse zu wirken, doch arg angestrengt aus.

Noch besser wäre gewesen, wenn es ein schlüssiges Konzept für den bösen Strippenzieher gegeben hätte. Dazu hätte interessanterweise gerade Brühl das Zeug gehabt. Ein Bösewicht, der mit der gleichen Kombination aus ethischer Anmaßung und freundlicher Unschuld durch den Film agiert, die Captain America vorwärts treibt; das in Kombination mit dem Gesicht von Daniel Brühl wäre ein wirklich schöner Bösewicht für diesen Film gewesen, der mit so viel Wonne mal wieder alle Gewissheiten über die Superhelden durcheinanderwirbelt.

Marvel ist stolz darauf, mit dem filmischen Universum, das sich seit „Iron Man“ von 2008 in Filmen und immer mehr Fernsehserien entfaltet, ein Gesamtkonzept zu haben, das dem der Comics entspricht. Vielleicht muss man es mit „The First Avenger: Civil War“ wie mit den Heften der Marvel-Comicreihen halten, bei denen auch mal eines besser oder schlechter gerät. Im Marvel-Universum wartet man dann einfach auf den nächsten Film.

„The First Avenger: Civil War“. Regie: Anthony Russo, Joe Russo. Mit Chris Evans, Robert Downey Jr. u. a. USA 2016, 147 Min.

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