: Neue Dimensionen jenseits der Realität
EISHOCKEY Dem EHC München fehlt nur noch ein Sieg zur ersten Deutschen Meisterschaft. Neben dem Geld des Brausemilliardärs Dietrich Mateschitz profitiert der Verein vom erfahrenen Trainer Don Jackson und einem höchst professionellen Nachwuchskonzept
von Christiane Mitatselis
Die Eishockeycracks mit den roten Bullen auf der Brust machen ernst. Nur ein Sieg trennt den EHC München in der Final-Serie der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) gegen Wolfsburg von seiner ersten Meisterschaft. Die Münchner waren schon Gewinner der Hauptrunde, im Playoff-Viertelfinale warfen sie Straubing in fünf Spielen aus dem Wettbewerb. Genauso schnell wurden im Halbfinale die Kölner Haie abserviert. Den Grizzlys aus Wolfsburg droht sogar die Höchststrafe, ein Sweep. Vor Partie vier am Freitagabend führt München in der Best-of-7-Serie jedenfalls 3:0. Und die Wolfsburger sahen bei der 1:4-Niederlage am Dienstag in München nicht so aus, als wüssten sie, wie sie die wilden Bullen einfangen könnten.
Man könnte nun sagen: Die Münchner haben sich den Titel gekauft. Das wäre aber ungerecht. Der Erfolg ist nicht allein auf die Investition des österreichischen Milliardärs Dietrich Mateschitz zurückführen, der den Verein seit 2012 finanziert. Der EHC Red Bull München hat zwar einen der höchsten Etats der Liga, der Verein beschäftigt aber nicht mehr hochbezahlte Spieler als etwa die in den Pre-Playoffs gescheiterten Adler Mannheim, unterstützt von SAP-Milliardär Dietmar Hopp. Oder Berlin und Hamburg als Mitglieder der Anschutz-Gruppe. Oder Köln, finanziert vom Koblenzer Multimillionär Frank Gotthardt. Oder die Nürnberger Eis-Tiger des Schmuckfabrikanten Thomas Sabo. All diese Spieleretats, von den Klubs geheim gehalten, dürften im Bereich von 8 Millionen Euro plus, minus 15 Prozent liegen
München hat aber besser eingekauft als die Rivalen. US-Trainer Don Jackson, im zweiten Jahr beim EHC, gewann bereits in Berlin fünf Meisterschaften und hat ein Händchen dafür, Mannschaften titelreif zu machen. Im Sommer überarbeitete er das Team und holte 15 neue Spieler. Jackson fand eine gute Mischung aus Talent und Titelhunger. Aus deutschen Cracks wie Michael Wolf und Nordamerikanern wie Bad Boy Steve Pinizzotto fanden sie in den 52 Saisonspielen zusammen, zu den Playoffs waren sie in Bestform. Auch früher in Berlin bekam Jackson das regelmäßig hin.
Ein wenig Angst machen den Rivalen die Dimensionen des Eishockeyunternehmens. Mateschitz bündelt seine Eishockeyaktivitäten in Salzburg, das mit dem EC gerade zum dritten Mal in Serie österreichischer Meister wurde, und in der bayerischen Hauptstadt. Dazwischen, im nördlichen Salzburger Ortsteil Liefering, liegt die Red Bull Akademie. Seit 2014 werden dort nicht nur Fußball-, sondern auch Eishockeytalente ausgebildet, die vornehmlich aus Deutschland und Österreich stammen, aber auch Tschechen und Slowenen sind vertreten. Das Eintrittsalter ist 14 Jahre.
Es gibt ein Internat, die jungen Sportler finden Trainingsmöglichkeiten vor, von denen mancher NHL-Verein nur träumen kann. Zum Beispiel Ergometer, auf denen Skaten simuliert werden kann. Zwei unterirdische, perfekt temperierte Eishallen, Spielanalysesysteme, Rudel von Trainern und Therapeuten – und einen neuen Leiter der Eishockeyabteilung: Helmut de Raaf gab gerade seinen Trainerjob in Schwenningen auf und wechselte nach Liefering, wo er Nachfolger von Pierre Pagé wurde.
„Ich war mit dem Job in Schwenningen zufrieden, das Angebot aus Salzburg war aber einfach so gut. Die Möglichkeiten, die wir dort haben, sind fantastisch“, sagt der frühere Nationaltorhüter. De Raaf kümmert sich um die U16-Akteure, seine Aufgabe ist es, Spieler für die Salzburger und Münchner Profis auszubilden. Er weiß, wie es funktioniert, von 1999 bis 2013 leitete er das erfolgreiche Mannheimer Jungadler-Projekt.
Millionen von Mateschitz plus Nachwuchserfahrung – da kann selbst Mannheim nicht mithalten. Und man hört aus der Liga bereits die Klage, die Salzburger lockten den talentierten Nachwuchs weg. Außerdem werde den jungen Sportlern in der Akademie eine Luxuswelt vorgegaukelt, die sie später in der Realität der Randsportart nicht mehr vorfänden.
Beim Deutschen Eishockey-Bund sieht man es entspannt. Er schaue auf das große Ganze, sagt DEB-Präsident Franz Reindl: „Es ist gut, wenn in die Ausbildung investiert wird, das brauchen wir, davon haben wir zu wenig. Salzburg ist eine Option.“
Zum vollständigen Eishockey-Glück fehlt dem EHC neben Sieg vier im Finale nur eine neue Halle. Die ist aber schon geplant und soll auf dem Olympiagelände entstehen, wo Jacksons Profis im Moment in der alten, 6.100 Besucher fassenden Eissporthalle spielen. In die neue Arena sollen 10.000 Zuschauer passen. Ursprünglich wollten die Münchner Basketballer mitmachen, doch die sprangen im Februar ab. So wird Red Bull das Projekt wohl allein durchziehen. 2018 soll die Spielstätte fertig sein. Und wer weiß, vielleicht zieht der EHC dann als dreifacher Deutscher Meister ein.
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